19. September 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

The Berlin Album / Ensemble Diderot

The Berlin Album / Ensemble Diderot
The Berlin Album / Ensemble Diderot
Dresden, Paris, London – und nun Berlin. Seit einiger Zeit schreitet das Ensemble Diderot die großen Zentren der Musik des 18. Jahrhunderts mit Blick auf das lokale Triosonaten-Repertoire ab. Auf diesem Album geht es tatsächlich an die Spree, während Potsdam ja bekanntlich an der Havel liegt; deshalb fehlen bei den eingespielten Werken so prominente Namen wie CPE Bach und JJ Quantz (sowie Friedrich II). Und dennoch ist man mit Georg Anton Benda, Johann Gottlieb Graun, Johann Gottlieb Janitsch dem Hof sehr nah. Freilich gilt es zwischen der prachtvollen Residenz und den Stadtschlössern zu unterscheiden! So sind konsequenterweise auch Johann Philipp Kirnberger und Prinzessin Anna Amalia von Preußen vertreten. Bis auf die Sonate von Kirnberger handelt es sich (wieder einmal) um Ersteinspielungen.

Die Suche im weitläufigen Repertoire hat sich jedenfalls musikalisch gelohnt. Anders als in dem auf Repräsentation ausgelegten Dresden stand Kammermusik in Berlin hoch im Kurs und wurde sowohl in höfischen wie auch in privaten Kreisen sowie halböffentlich höchst lebendig gepflegt. Die von Johann Gottlieb Janitsch (einem Kontrabassisten) organisierten «Freitagsmusiken» bilden in Berlin gleichsam die Keimzelle des institutionalisierten bürgerlichen Musiklebens. Johannes Pramsohler und sein Ensemble sind interpretatorisch und bei der Auswahl des Instrumentariums wie immer «auf der Höhe der Zeit» – auch was das Continuo angeht, bei dem hier je nach Charakter der Werke zischen einem Cembalo (nach Michael Mietke) und einem Fortepiano (nach Gottfried Silbermann) mit bisweilen bezaubernden Farbnuancen gewechselt wird. Wie erwartet, findet man bei Kirnberger Kontrapunkt und Chromatik, bei Johann Abraham Peter Schulz aber fein abgetönte Empfindsamkeit in Terzen und Sexten. Ein faszinierendes Kaleidoskop.

Georg Anton Benda. Triosonate E-Dur; Johann Gottlieb Graun. Triosonate A-Dur; Johann Philipp Kirnberger. Triosonate d-Moll; Prinzessin Anna Amalia von Preußen. Fuge D-Dur; Johann Abraham Peter Schulz. Triosonate a-Moll; Johann Gottlieb Graun. Triosonate G-Dur «Melancholicus & Sanguineus»; Johann Gottlieb Janitsch. Triosonate G-Dur
Ensemble Diderot, Johannes Pramsohler

Audax ADX 13726 (2019)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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