23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Rimsky-Korsakow / Christmas Eve

Rimsky-Korsakow / Christmas Eve
Rimsky-Korsakow / Christmas Eve
Die Opern von Nikolai Rimsky-Korsakow (1844-1908) gehören leider nicht zum ständig gespielten Repertoire. Noch seltener gelangte bisher sein opulenter Vierakter Die Weihnacht oder auch Heiligabend auf die Bühne – in Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters sucht man das Werk ebenfalls vergeblich. Dass es sich allerdings um ein Juwel handelt, zeigte 2021/22 das Frankfurter Opernhaus in doppelter Weise: mit einer umjubelten und dann auch ausgezeichneten Inszenierung sowie einer musikalisch auf (gewohnt) sehr hohem Niveau stehenden Realisation unter der Stabführung von Sebastian Weigle. Die märchenhafte Geschichte ist alles andere als einfach nachzuerzählen (und hier ist auch nicht der rechte Ort dafür): Sie ist jedenfalls herrlich bunt, spielt mit ländlicher Einfalt, Liebe und Stolz, hat den Teufel im Gepäck und spielt im ukrainischen Dorf Dykanka, dann am Zarenhof sowie im Reich der Lüfte. Für eine Inszenierung eröffnen sich gefühlt Tausende Möglichkeiten…

Das Doppelalbum dokumentiert als Live-Mitschnitt die musikalische Seite der gefeierten Frankfurter Inszenierung und punktet in jeglicher Hinsicht: mit einem hervorragenden, klanglich bestens aufeinander abgestimmten Ensemble sowie einer sehr respektablen Leistung des Orchesters, das die speziellen Aufführungsbedingungen jener Zeit (Corona, da war doch was?) vollkommen vergessen macht. Sebastian Weigle gelingt es dabei, nicht nur Rimsky-Korsakow als den genialen Instrumentator zu präsentieren, den man zwar in der Literatur oft beschrieben findet, aber eigentlich nur von der Scheherazade her kennt. Darüber hinaus erzählt er eine ganze Geschichte, lässt die Farben leuchten – und fängt damit auch den Hörer des Albums ein. Nun wird man sich zu Weihnachten vermutlich nicht unbedingt einen Vierakter auflegen; da aber das Libretto eher ein Märchen als eine Weihnachtsgeschichte erzählt, bleibt die Oper mit ihren neun Bildern einigermaßen neutral im Kalender – eigentlich eine Chance für die Partitur, wenn da nicht der eindeutige Titel wäre…

Nikolai Rimsky-Korsakow. Christmas Eve
Georgy Vasiliev (Tenor), Julia Muzychenko (Sopran), Enkelejda Shkoza (Mezzo), Alexey Tikhomirov (Bass), Andrei Popov (Tenor), Anthony Robin Schneider (Bass), Sebastian Geyer (Bariton), Peter Marsh (Tenor), Bianca Andrew (Mezzo), Thomas Faulkner (Bass), Barbara Zechmeister (Sopran), Chor der Oper Frankfurt, Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Sebastian Weigle
Naxos 8.660543-44 (2021/22)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #105 – Weihnachten