10. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

The Honour of William Byrd

The Honour of William Byrd
The Honour of William Byrd
Alison Kinder macht sich in ihrem Booklet-Essay auf die Suche nach «William Byrd» als Mensch hinter seiner Musik. Ein Unterfangen, das in dem begrenzten Raum weniger Seiten kaum gelingen kann und wohl eher an der spekulativen Oberfläche bleiben muss, als zum wahren Kern vorzudringen. Dennoch: Der Wunsch ist mehr als berechtigt, dem über viele Jahrzehnte hinweg auf höchstem Niveau produktiven Komponisten auf neuen Wegen näher zu kommen. Es sind dann auch eher die Details, die einen Einblick in den Menschen zulassen – etwa im innigen Trauergesang auf den Lehrer und Freund Thomas Tallis (1505–1585) oder in jenem sarkastischen Consort Song, in dem der Earl von Essex verspottet wird; dieser stand zunächst in der Gunst von Elizabeth I., litt später an Selbstüberschätzung und wurde nach einem versuchten Staatsstreich einen Kopf kürzer gemacht.

Consort Songs und Madrigale wechseln auf diesem Album mit instrumentalen Fantasien zu vier, fünf oder sechs Stimmen ab, bei denen das Chelys Consort of Viols seinen kompakten kammermusikalischen Sound entfalten kann. In den Vokalwerken fasziniert der sehr dunkel timbrierte, vom Charakter her markante Mezzo von Helen Charlston fast schon als Counterpart zu den hellen, an Obertönen so reichen Gamben. Warum aber kann mich das Album dennoch nicht so recht erwärmen? Vielleicht werden die instrumentalen Linien doch ein wenig zu plan als polyphoner Satz artikuliert, zudem vermisse ich die für den Verlauf so wichtigen rhythmischen Impulse der Punktierungen. Byrd hat sicherlich noch weit mehr zu bieten, und die einzelnen Stücke können viel stärker individualisiert werden. So aber taucht man für reichlich 75 Minuten in einen ruhig strömenden Fluss meist melancholischer Themen und Melodien ein.

The Honour of William Byrd
William Byrd. Thou poet’s friend; In nomine (I à 4); Fantasias (I, à 6 und II, à 6); Fantasias (à 5): «Two Parts in One in the Fourth Above» und «Browning „The Leaves be Greene“»; Fantasia (I, à 4); Wretched Albinus; With lilies white; This sweet and merry month of May; O Lord, make thy servant, Elizabeth; All as a sea, the world no other is; Come to me, grief, for ever; Sellenger’s Round; Blessed is he that fears the Lord; Why do I use my paper, ink and pen; Ah silly soul; Rejoice unto the Lord; Ye sacred Muses
Helen Charlston (Mezzosopran), Chelys Consort of Viols

BIS BIS -2662 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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