27. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Sørensen / St Matthew Passion

Sørensen / St Matthew Passion

Bei einer «Matthäus-Passion» denkt man an die entsprechende Vertonung von Johann Sebastian Bach als Referenz – womit dann auch der Anspruch an jede neuere Komposition steigt. Dem hat sich Bent Sørensen (*1958) bei seiner Komposition entzogen: Der dem Werk zugrunde liegende Text ist auf Englisch, zudem werden nur wenige Zeilen aus dem Evangelium zitiert. In der Hauptsache sind es Verse von Edith Södergran, Anna Achmatowa und Emily Dickinson sowie von Frank Jæger, Ole Sarvig und Søren Ulrik Thomsen – von Sørensen selbst ausgewählt und von Jakob Holtze zu einem Libretto

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Per Nørgård / John Storgårds

Per Nørgård / John Storgårds

Es ist schon erstaunlich, wie frisch so manches Spätwerk eines Altvorderen anmutet. So etwa bei Per Nørgård (* 1932), der mit 80 Jahren seine 8. Sinfonie vollendete (2011) und mit den Three Nocturnal Movements (2015) noch ein weiteres gewichtiges Werk nachlegte. Den Partituren ist gleichermaßen eine weise Gelassenheit anzumerken wie auch eine nach wie vor kraftvolle Kreativität. Und eine Form des schöpferischen Understatements und Loslassens: Für die Nocturnal Movements haben der Komponist und Jakob Kullberg (als Solist) zum wiederholten Male zusammengearbeitet; ein kreativer Austausch, wie man ihn seit dem ausgehenden

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The Honour of William Byrd

The Honour of William Byrd

Alison Kinder macht sich in ihrem Booklet-Essay auf die Suche nach «William Byrd» als Mensch hinter seiner Musik. Ein Unterfangen, das in dem begrenzten Raum weniger Seiten kaum gelingen kann und wohl eher an der spekulativen Oberfläche bleiben muss, als zum wahren Kern vorzudringen. Dennoch: Der Wunsch ist mehr als berechtigt, dem über viele Jahrzehnte hinweg auf höchstem Niveau produktiven Komponisten auf neuen Wegen näher zu kommen. Es sind dann auch eher die Details, die einen Einblick in den Menschen zulassen – etwa im innigen Trauergesang auf den Lehrer und

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Without Borders / Can Çakmur

Without Borders / Can Çakmur

Wenn nicht alles täuscht, so wird Can Çakmur sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten als einer der profiliertesten Pianisten nicht nur seiner Generation etablieren. Einige Preise hat er bereits gewonnen – was mich persönlich aber weit mehr interessiert, ist seine Art der Interpretation, einer sehr markanten Herangehensweise an Musik verschiedener Epochen. Aktuell steht er bei dem auch für Überraschungen bekannten schwedischen Label BIS unter Vertrag – und ich hoffe, dass dies trotz der vielen Veränderungen auf dem Musikmarkt noch lange so bleibt. Offensichtlich darf sich der 1997 geborenen Can

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paper moon / Manos Hadjidakis

paper moon / Manos Hadjidakis

Das Cover verspricht nicht zu viel. Es handelt sich um ein durch und durch poetisches Album, wundervoll warm und klar im Klang, vollendet in der Interpretation. Die griechische Gitarristin Elena Papandreou, die zwar in über zwei Jahrzehnten in 40 Ländern aufgetreten ist, aber noch immer als Geheimtipp gelten muss, hat mit paper moon nun ein Projekt realisiert, das als Herzensangelegenheit schon lange nach einer Realisierung verlangte: Ausgangpunkt bilden Lieder von Manos Hadjidakis (1925–1994), der auch hierzulange durch sein Lied «Ein Schiff wird kommen» (1960) wenigstens den älteren Leser:innen noch bekannt

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Skalkottas / Concertos

Skalkottas / Concertos

Noch vor gut drei Jahrzehnten war selbst der Name von Nikos Skalkottas (1904–1949) nur wenigen bekannt; heute gilt er als der bedeutendste griechische Komponist seiner Generation und eine der wichtigsten Stimmen seines Landes im 20. Jahrhundert überhaupt. Dass zu seinen Lebzeiten kaum Werke von ihm veröffentlicht wurden, er selbst gleichsam im Schatten der Musikgeschichte blieb, ist auch der Drangsal jener Zeit geschuldet: Mehr als zehn Jahre verbrachte Skalkottas teilweise in prekären Verhältnissen in Berlin, war dort Schüler von Kurt Weill und Philipp Jarnach und wurde in die Meisterklasse von Arnold

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Respighi / Bach & Rach

Respighi / Bach & Rach

Wer von den geneigten HörBar-Leser:innenim etwas fortgeschrittenen Alter kann sich nicht an sie erinnern? – an die beeindruckenden, aber auch vor Pathos nur so triefenden Bach-Bearbeitungen von Leopold Stokowski, die sich im Schallplattenschrank oder beim Schallplattenhändler des Vertrauens fanden. Es war die Zeit, in der die historische Aufführungspraxis noch neu war und sich nach eigenem Suchen erst noch einen Platz erarbeiten musste. Als Orchester-Arrangement hingegen war die Alte Musik fester Bestandteil des städtischen Sinfoniekonzerts – heute so (und in den dargebotenen Interpretationen) kaum mehr vorstellbar. Und doch: im Web findet

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Winterreise / James Rutherford

Winterreise / James Rutherford

>Bevor es Frühling wird, rasch noch eine «Winterreise», mag mancher denken. Musikalisch zielt das natürlich auf Schuberts Vertonung der gleichnamigen Müller’schen Verse – ein Meisterwerk der hohen Liedkunst, des Kunstliedes wie auch des Liederzyklus’. Und so darf es nicht verwundern, dass der Einspielungen inzwischen Legionen sind. Vielfach spiegeln die Interpretationen die sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wandelnden Sichtweisen und Vorlieben der Sänger – und der Sängerinnen. Es gibt dabei allerdings einige Aspekte, die auch heute noch einen genaueren Blick wert sind sind: Wie steht es mit den oft anfallenden Transpositionen?

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Tournament for Twenty Fingers

Tournament for Twenty Fingers

Ein Album, das die ästhetische Zerrissenheit des 20. Jahrhunderts ganz unprätentiös vierhändig auf einem oder zwei Flügeln dokumentiert. Denn wo einst andernorts radikale Avantgardismen proklamiert wurden, gab es (zumal in Großbritannien) Komponisten, die die Brücken in die Vergangenheit nicht einrissen, sondern über diese mit gutem Gepäck und sehenden Auges in die Zukunft gingen. Dass etwa Lennox Berkeley (1903–1989) noch 1954 eine Sonatina in Es-Dur komponierte, mag ebenso erstaunen wie die Selbstverständlichkeit, mit der er seine angeblichen, vermeintlichen oder auch nur sehr eigenwillig gesetzten «seriellen» Variationen über ein eigenes Thema (1968)

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Jazz & Variety

Jazz & Variety

Sowohl der Titel des Albums als auch die Überschrift des einführenden Essays treffen nur bedingt die eingespielte Musik: Jazz & Variety bezieht sich (und dies allenfalls im weitesten Sinne) nur auf einen Teil der Werke, und die Introduktion (Schostakowitschs unbekümmerte Seite) spiegelt eher eine gängige Rezeptionshaltung gegenüber den hier versammelten Nummern und Werken: einer Jazz-Suite (wobei in der Sowjetunion der Begriff «Jazz» anders gefasst wurde), einer Suite für Variété-Orchester (das dann aber doch groß besetzt ist) sowie zwei Suiten aus Filmmusiken mit durchaus ernsten Seiten (Das goldene Zeitalter und Der

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