Wer von den geneigten HörBar-Leser:innenim etwas fortgeschrittenen Alter kann sich nicht an sie erinnern? – an die beeindruckenden, aber auch vor Pathos nur so triefenden Bach-Bearbeitungen von Leopold Stokowski, die sich im Schallplattenschrank oder beim Schallplattenhändler des Vertrauens fanden. Es war die Zeit, in der die historische Aufführungspraxis noch neu war und sich nach eigenem Suchen erst noch einen Platz erarbeiten musste. Als Orchester-Arrangement hingegen war die Alte Musik fester Bestandteil des städtischen Sinfoniekonzerts – heute so (und in den dargebotenen Interpretationen) kaum mehr vorstellbar. Und doch: im Web findet man eine noch ältere, aus dem Jahre 1928 stammende Aufnahme der Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 in der berüchtigten Transkription von Stokowski; der Meister dirigiert natürlich selbst: alles überraschenderweise sehr fein, ausgewogen, durchsichtig – und «fettarm», möchte ich fast sagen.
Mir kam all das in den Sinn, während nun schon zum zigsten Male das Album mit Transkriptionen von Ottorino Respighi (1879–1936) durchläuft. Denn den großen Italiener, der wahrlich weit mehr komponiert hat als die «römische Trilogie», lernt man hier von einer vielleicht heute abgelegenen, aber durchaus interessanten Seite kennen. Geschult von Martucci (Wagnerianer), Torchi (Pionier auf dem Gebiet der Alten Musik), Rimski-Korsakow (Instrumentations-Genie) und Max Bruch (souveränes konservatives Handwerk), ging Respighi nicht nur schöpferisch, sondern auch klanglich einen eigenen, unverkennbaren Weg zwischen Romantik, Impressionismus und Neoklassizismus. Dies im Sinn, eröffnen sich in Präludium und Fuge, mehr aber noch in der grandiosen und wirklich «groß» besetzten, von Toscanini in Auftrag gegebenen Passacaglia neue Hörperspektiven, wenn man sich auf diese Ästhetik einlässt. Als Kleinode der Instrumentationskunst stellen sich auch die fünf Sätze nach Klavierstücken von Rachmaninow heraus, der sich seinerseits sehr positiv über die Partitur äußerte. Fazit: Was im ersten Moment marginal erscheint, erweckt schließlich immer mehr Neugier. Zumal in dieser nichts forcierenden und damit gelungenen Einspielung.
Ottorino Respighi. Transcriptions
Johann Sebastian Bach. Präludium und Fuge D-Dur BWV 532 (P 158, 1929); Passacaglia und Fuge c-Moll BWV 582 (P 159, 1930); Tre Corali (P 167, 1930) (Nun komm der Heiden Heiland, BWV 659; Meine Seele erhebt den Herren BWV 648; Wachet auf ruft uns die Stimme, BWV 645); Sergei Rachmaninow: Cinq Études-Tableaux (P 160, 1930) (op. 39/2, op. 33/4, op. 39/7, op. 39/6, op. 39/9)
Orchestre Philharmonique Royal de Liège, John Neschling
BIS-2350 (2017)