5. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Xavier de Maistre

Xavier de Maistre
Xavier de Maistre
Er gehört zu den wenigen Meistern der Harfe, die auch als Solist auf eine große internationale Karriere blicken können. Neben technischer Brillanz und musikalischem Vermögen gehört dazu am Ende auch ein gutes Stück Fortune und der anhaltende Zuspruch des Auditoriums. Tatsächlich verstehen es Xavier de Maistre und sein Label Sony auf erstaunliche Weise, es fortwährend «köcheln» zu lassen. Neben den Solo-Auftritten gehört dazu auch die permanente mediale Präsenz mit neuen Alben – in diesem Fall eine CD mit den beiden Standard-Werken von Reinhold Glière (1874–1956) und Alexander Mossolow (1900–1973), einem Konzertstück von Alexander Glasunow (1865–1936) und einer gefälligen Tschaikowski-Bearbeitung als Zugabe.

Dass mich die Interpretation dennoch nicht überzeugt, liegt vor allem an der Position der Mikrophone, der damit eingefangenen Akustik und zugrunde liegenden Ästhetik. Natürlich hat es die zart besaitete Harfe schwer, sich gegen ein sinfonisch besetztes Orchester zu behaupten. Doch wer genau hinhört, der wird merken, dass bereits die Komponisten selbst sich dieser Voraussetzung bewusst waren und in der Partitur hinsichtlich Faktur und Instrumentation reichlich vorgesorgt haben. Bei diesem Album allerdings scheint man dem nicht getraut zu haben – so stark ist die solistische Harfe in den Vordergrund gerückt, das Orchester aber weit nach hinten. Dem WDR Sinfonieorchester wird dabei seine klanglichen Individualität genommen, ein wirklich konzertantes Wechselspiel bleibt aus. Vielmehr erscheint mitunter Unwichtiges zu präsent, Thematisches im Orchester bleibt hingegen oft nur angedeutet. Das kommt weder dem Konzert von Glière noch dem von Mossolow aus dem Jahr 1939 (seine bekannte Eisengießerei entstand früher) entgegen. Neugierig auf mehr macht wenigstens der kurze Auszug aus Glasunows Ballett Raymonda (1898).

Reinhold Glière. Konzert für Harfe und Orchester op. 74; Alexander Glasunow. «Prélude et la Romanesca» aus: Raymonda op. 57; Alexander Mossolow, Konzert für Harfe und Orchester; Peter Tschaikowski. «Tanz der Zuckerfee» aus: Der Nussknacker op. 71 (arr. von Xavier de Maistre)
Xavier de Maistre (Harfe), WDR Sinfonieorchester, Nathalie Stutzmann

Sony 19439913812 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #082 – Harfe