Zunächst einmal handelt es sich um höchst willkommenes Repertoire, von man heute kaum mehr eine Vorstellung hat. Heinrich Kaminski (1886–1946), Reinhard Schwarz-Schilling (1904–1985) und Karl Höller (1907–1987) waren schon Ende des 20. Jahrhunderts fast vergessene Namen mit lange nicht mehr gespielten Œuvres. Dass sie der radikal mit allem brechenden Avantgarde nichts entgegenzusetzen hatten, wird an den hier eingespielten, etwas älteren, vom Neobarock inspirierten Werken mehr als deutlich. Sie stehen in einer anderen Tradition und verlangen gerade deswegen ein gerechtes, auf den Kontext bezogenes ästhetisches Urteil. Das aber fällt bei diesen historischen Aufnahmen nicht leicht. Schon Keilberth selbst notierte «Kaminski sehr kompliziert» und meinte damit die vertrackte Faktur wie auch den erdigen Klang. Das eine wurde dann auch spieltechnisch nur näherungsweise umgesetzt, das andere war noch nicht ausreichend differenziert abzubilden – in diesem Fall sorgt eine neuere Einspielung unter José Serebrier (Naxos, 2011) für mehr Klarheit. Dankbarer sind die Werke von Karl Höller, ebenso wie die an Altes anschließende Partita von Reinhard Schwarz-Schilling. Doch auch hier zeigen sich leider Unzulänglichkeiten des Live-Mitschnitts. Man gewinnt jedenfalls eine Vorstellung von den Herausforderungen, einst (und womöglich auch noch heute) neue Musik bei der ersten Begegnung adäquat einschätzen zu können. Dass das Kölner Rundfunksinfonieorchester in den 1960er Jahren mit der Musik und der Ausdruckswelt von Paul Hindemith hörbar vertrauter war und bereits so manch anderen musikalischen Sturm überstanden hatte, ist der hier merklich souveräneren Gestaltung anzumerken. Ein Album, das sich als spannendes Zeitdokument entpuppt.
Heinrich Kaminski. Concerto grosso für doppeltes Streichorchester und Klavier (1921/23); Reinhard Schwarz-Schilling. Partita für Orchester (1935); Karl Höller. Passacaglia und Fuge nach Frescobaldi op. 25 (1938/39), Fuge für Streichorchester (1948); Paul Hindemith. Sechs Lieder aus dem «Marienleben» für Sopran und Orchester (1939/59), Konzert für Orgel und Orchester (1962)
Agnes Giebel (Sopran), Anton Heiller (Orgel), Kölner Rundfunksinfonieorchester, Joseph Keilberth
Aldilà Records AHCD 013 (1955, 1956, 1961, 1964)