7. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Tuba Concerto

Tuba Concerto
Tuba Concerto
John Williams gehört fraglos zu jenen Komponisten, von denen nur ein Teil des gesamten Schaffens bekannt ist. Fast ergeht es ihm so wie einst Carl Czerny – der erst am Ende seines Lebens erschrocken bemerkte, dass ihn alle Welt nur wegen seiner Etüden kennen würde; seine Sinfonien und Streichquartette (missing links aus dem 19. Jahrhundert) blieben ungedruckt liegen und werden erst jetzt wiederentdeckt. Bei Williams steht die Sache etwas anders. Wikipedia verzeichnet einen Katalog von konzertanten Werken (allein zwölf veritable «Concerts»), während man allerlei Hymnen und Fanfaren als Gelegenheitsarbeiten einstufen darf (wie bei anderen Komponisten der vergangenen 200 Jahre auch); eine mit «#1» bezeichnete Sinfonie (1965) blieb offenbar singulär.

Seltsam (oder gar nicht so seltsam) ist nun die Diskrepanz zwischen den zahllosen Einspielungen von Suiten und «Themes» aus den einschlägigen Kino-Kassenschlagern und dieser fast privaten Seite des Komponierens. Wer im Katalog sucht (oder in einem Kulturkaufhaus nachfragt), landet sofort bei den «Scores», also der Filmmusik. Bei all dem lauten Jubel und den Ehrungen rund um den 90. Geburtstag wird allerdings eine gelungene (und noch immer lieferbare) Einspielung aus dem Jahre 2008 vergessen: Es handelt sich um das Tuba-Konzert von 1985 – hier gemeinsam mit drei Werken anderer Komponisten hochvirtuos und herrlich warm im Ton gespielt von Oystein Baadsvik. Das Konzert entstand als Auftrag zum 100. Geburtstag des Boston Pops Orchestra und ist Chester Schmitz, dem damaligen Solo-Tubisten, gewidmet – Williams selbst wiederum war zu dieser Zeit als Nachfolger des legendären Arthur Fiedler für mehr als ein Dutzend Jahre selbst Chef des auf «leichte Klassik» abonnierten Orchesters. – Und das Werk selbst? Mit klassischer Satzfolge (attacca) angelegt, stellt es das Solo in den Mittelpunkt. Bei der Motivik, den Themen, Rhythmen und der Instrumentation ging Williams aber keine neuen Wege. Vielleicht trifft es der Kommentar des Komponisten selbst am besten: «It’s light and tuneful and I hope it has enough events in it to make it fun.»

20th-Century Tuba Concertos
Ralph Vaughan Williams. Concerto for Bass Tuba (1954); Alexander Arutiunian. Concerto for Tuba and Orchestra (1992); Torbjörn Iwan Lundquist. Landscape for Tuba, String Orchestra and Piano (1978); John Williams. Concerto for Tuba and Orchestra (1985)
Oystein Baadsvik (Tuba), Singapore Symphony Orchestra, Anne Manson

BIS-1515 (2006)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #061 – John Williams 90