8. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

The Berlin Concert

The Berlin Concert
The Berlin Concert
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Atmosphäre dieses Konzertmitschnitts als ein wirklicher Live-Event ist weder bei Spotify noch auf anderen Streaming-Plattformen so zu erleben wie auf dieser Doppel-CD. Nur hier gibt es den begeisterten Applaus der Fans, nur hier sind einige der persönlichen Geschichten und Geschichtchen zu hören, mit denen der Großmeister des Hollywoodfilms knapp vor seinem 90. Geburtstag mit Sympathie und Frische durch das Programm führte. Und man wird wirklich überrascht: Denn dieses Konzert vom Oktober 2021 stellt zugleich den ersten Berlin-Besuch von John Williams dar. Wer hätte das angesichts seiner so engen musikalischen Beziehung zur europäischen Romantik gedacht?

Die Ehrfurcht in der Philharmonie war jedenfalls gegenseitig und ist noch jetzt in jeder Minute zu spüren: Der vielfach prämierte und mehrfach mit dem Oscar, dem Emmy und Grammy ausgezeichnete Komponist fühlte sich durch die Einladung zum sinfonischen Dirigat berührt und geehrt, das Orchester seinerseits blühte im besten Breitband-Sound auf. Ein Riesenspaß, wenn man die Themen und Melodien aus dem Kino oder vom Video kennt. Denn selten nur werden die tech-nisch (und musikalisch) anspruchsvollen Partituren im Detail so ausgefeilt ge-spielt, so glänzend dargeboten. Und doch stellt sich am Ende dieser vorzüglichen Unterhaltung die Frage: Hat die Musik wirklich die Substanz, auch ohne die Bilder zu tragen (die vor dem inneren Auge mitlaufen)? Und speist sich ihr Gehalt gar nur aus den vielfachen und fraglos genialen Entlehnungen – von Wagner und Tschaikowsky über Debussy und Holst bis hin zu Strauss und Korngold? Den Fans dürfte dies kaum bewusst sein, der Kenner des Repertoires hingegen lächelt milde. Und ja: Star Wars ist und bleibt eine Space Opera, aber eben auch nicht wirklich ohne Wagner & Co. zu denken und zu hören. – Was also bleibt von diesem Konzert in Berlin, knapp zwei Jahre nach einem ebenfalls bei der Deutschen Grammophon dokumentierten in Wien? Für mich jedenfalls der Eindruck, dass es für eine gute Filmmusik offenbar eine gewisse Unschärfe in der Ausführung geben muss, die weniger auf eine professionelle Interpretation setzt, sondern mit jedem Ton emotional mitgeht. So The Imperial March: Selten rhythmisch so exakt gehört, selbst so durchhörbar dargeboten. Doch die Macht der dunklen Seite war schlicht in der Garderobe geblieben.

John Williams. The Berlin Concert
Olympic Fanfare and Theme; Close Encounters of the Third Kind (Auszüge); Far and Away (Suite); Hedwig’s Theme, Nimbus 2000, Harry’s Wondrous World (Harry Potter and the Philosopher’s Stone); Jurassic Park (Main Theme); Superman March; Scherzo for Motorcycle and Orchestra (Indiana Jones and the Last Crusade); Marion’s Theme, Raiders March (Indiana Jones and the Raiders of the Lost Ark); Elegy für Violoncello und Orchester; The Adventures of Han (Solo: A Star Wars Story); Yoda’s Theme (Star Wars: The Empire Strikes Back); Throne Room, Finale (Star Wars: A New Hope); Encores: Princess Leia’s Theme (Star Wars: A New Hope); Flying Theme (E.T. the Extra-Terrestrial); The Imperial March (Star Wars: The Empire Strikes Back)
Berliner Philharmoniker, John Williams

DG 486 1710 (2021)

HörBarTuba Concerto >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #061 – John Williams 90