25. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Anna Thorvaldsdottir

Anna Thorvaldsdottir
Anna Thorvaldsdottir
Oft genug ärgere ich mich über CD-Produktionen, bei denen zwischen den Sätzen eines Werkes keine atmenden Pausen gesetzt wurden, gelegentlich sogar unterschiedliche Kompositionen dicht gepackt aufeinanderfolgen. Wenn dies geschieht, dann ist es nicht nur eine Fahrlässigkeit gegenüber dem jeweiligen Komponisten, sondern mehr noch gegenüber dem geneigten Hörer, der aus jedem Live-Konzert ganz anderes gewohnt ist. Was waren das für Zeiten, als einige Labels am Ende eines Albums noch bis zu einer Minute in sich ruhender «Stille» mit auf die CD packten – nur um zu vermeiden, dass der Laser nach dem letzten Ton technisch surrend sofort in seine Ausgangsposition fährt.

Auch das Label Sono Luminus hätte gut daran getan, bei Anna Thorvaldsdottirs dreisätzigem Enigma das Gehörte bedeutend länger als nur wenige Sekunden nachsinnend ausklingen zu lassen. Denn was hilft es, wenn das Ensemble sich tief in die Klanglandschaften hineinversenkt, diese aber kaum eine Chance haben, im Nebel der Zeit sich aufzulösen? – Einzelne Töne, Linien und Akkorde, die aus knarzenden Geräuschen oder fahlem Rauschen herauswachsen und wieder von ihnen aufgesogen werden, lassen die halbe Stunde in einem Stadium fortschreitender Hörmeditation vergehen, die einmal mehr zeigt, was alles mit dem Streichquartett auch noch im 21. Jahrhundert möglich ist – welche Kraft in diesem Kontext von einzelnen Intervallen und Klangkonstellationen ausgeht. Das Spektral Quartet hat die Geheimnisse dieses raum- und zeitlosen Enigmas in Maßstäbe setzender Weise ausgeleuchtet.

Anna Thorvaldsdottir. Enigma
Spektral Quartet

Sono Luminus DSL-92250 (2020)

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