Diese Messe, die keine ist, dieses Oratorium, das keines ist, dieses Werk, das in manchen Teilen offenbar auf eine konkrete Ausformung verzichtet (dies geht aus dem Booklet hervor), klingt wie eine verspätete Kreuzung aus dem Pärt der 1990er Jahre und dem Górecki der 3. Sinfonie, wirkt in seinen nach «Neorenaissance» schmeckenden Passagen eigenartig archaisch, klingt mit den elektronischen Zuspielungen aber auch gewollt aktuell. Musikalisch passt vieles – nur lässt sich die Frage nach dem zwingenden «Warum» nicht eindeutig beantworten. Jóhann Jóhannsson, der 2018 in Berlin verstarb, ist als künstlerischer Grenzgänger bekannt geworden, wurde aber erst posthum von dem Label in den letzten Jahren durch verschiedene Alben gezielt gepusht. Die Klänge dieser Drone Mass, besetzt mit vokalem Doppelquartett, Streichquartett und Zuspielung, sind indes unterkühlt, kalt, frostig, eisig. Die Klangästhetik entspricht der, die Paul Hillier bereits in den frühen 1990er Jahren bei Einspielungen von Dufay, Josquin etc. verfolgte. Aufführungspraktisch adäquat oder in diesem Fall: «zeitgenössisch» ist das längst nicht mehr. Und so bleiben viele Fragen an die Musik eines sehr flexiblen isländischen Komponisten, der sich selbst nicht mehr äußern kann.
Jóhann Jóhannsson. Drone Mass
Theatre of Voices, American Contemporary Music Ensemble, Paul Hillier
Deutsche Grammophon 483 7418 (2019)