8. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

American Pioneers

American Pioneers
American Pioneers

Manchen wird etwas unwohl, wenn das Adjektiv «american» nicht geographisch korrekt den großen Doppelkontinent meint, sondern nur die Vereinigten Staaten und deren «way of life». Natürlich gibt es in nahezu allen Bereichen des Lebens populäre Verallgemeinerungen; dass sie sich aber auch auf seriösen Covern und im eingespielten Repertoire niederschlagen, überrascht dann doch. Die ohnehin ungenaue, oftmals allzu leichtfertig hingeworfene Begrifflichkeit verweist auf eine kulturelle Vormachtstellung, die zwar faktisch existent ist (zumal durch verschiedene musikalische Institutionen), zugleich aber vieles ausklammert oder gar ausgrenzt.

Ob die auf diesem mit «American Pioneers» überschriebenen Album eingespielten Werke durchgehend wegbereitend waren, sei außerdem dahingestellt. Dazu gibt auch die Formation «Streichorchester» nur wenig Anlass. So schon mit Blick auf die 1907 entstandene Suite(!) von Arthur Foote, bei der Präludium und Fuge einen Satz in die Mitte nehmen, der es in sich hat: Ein düster-schwelgerisches Adagietto (con sordini) wird von einem muntren pizzicato-Scherzo gerahmt. Rhythmisch kecker kommt die Serenade (1948) von George Antheil daher – ein gemäßigtes Werk aus später Zeit, bei dem wiederum ein langsamer Satz im Ausdruckszentrum steht. Eher marginal mutet ein knapper Hymnus von Charles Ives an. Dass hierzu Aaron Coplands Appalachian Spring (in der Fassung für 13 Instrumente) einen markanten Gegensatz bietet, geradezu einen Aufbruch vermittelt, muss nicht überraschen, denn neben dem Klavier treten nun auch mit Flöte, Klarinette und Fagott drei Blasinstrumente hinzu. – Aber vielleicht sollte es bei den «pioneers» auch nicht um musikalische Neuerungen gehen, vielmehr stand die Produktion (laut Booklet) unter dem Eindruck des 400. Jahrestags der Abreise der Pilgerväter aus Amsterdam… Das überraschenderweise mit «Ciconia Consort» bezeichnete, 2012 gegründete Kammerorchester macht einen guten «job» und wird in der weiträumigen Kirchenakustik adäquat eingefangen. Dumm nur, dass am Ende des ersten Tracks ein ernsthafter Schnittfehler mit auf die Scheibe geraten ist.

American Pioneers. Music for String Orchestra
Arthur W. Foote. Suite in E op. 63 (1907); George Antheil. Serenade (1948); Charles Ives. Hymn (1904); Aaron Copland. Appalachian Spring (1943/44)
Ciconia Consort – The Hague String Orchestra, Dick van Gasteren

Brilliant Classics 96086 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #050 – «America»