7. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Vivaldi. Jahrezeiten / Stefan Plewniak

Vivaldi. Jahrezeiten / Stefan Plewniak
Vivaldi. Jahrezeiten / Stefan Plewniak
Wohl zu keiner anderen Komposition lassen sich Giuseppe Arcimboldos unverwechselbare Fruchtstücke und «teste composte» (zusammengesetzte Köpfe) besser denken, als zu den Jahreszeiten von Antonio Vivaldi, wenngleich mehr als 150 Jahre und eine ganze Epoche zwischen Bild und Musik liegen. Bei diesem Album wurde der farbenfrohe Sommer (1563) für das Cover gewählt – auch er ist Teil eines Zyklus durch die vier Jahreszeiten. Oft genug gehört, stellen freilich Vivaldis charakteristische Concerti immer wieder die Frage, ob man sie wirklich neu oder einfach nur etwas anders interpretieren kann. Die Antwort lautet in diesem Fall tatsächlich «neu» – so viel Spielraum steckt in den Partituren, so viele Möglichkeiten einer klanglichen Realisierung bieten sich an – und werden es wohl auch noch in Zukunft tun.

Stefan Plewniak (Violine und Leitung) gelingt es jedenfalls auf wirklich beeindruckende Art und Weise, die zu oft gehörten Ritornelle mit neuer unverbrauchter Frische anzufassen. Und so klingt vieles so, als würde man es zum allerersten Male hören. Dabei setzt er nicht auf abgefahrene Tempi oder provokante Manierismen, sondern schaut mit großer Kenntnis und Imaginationskraft schlichtweg in die Noten. Denn wo er wirklich forciert, dient es gänzlich dem Ausdruckscharakter und nicht allein der Malerei. So etwa im Sommersturm, den man hier in trockener Hitze geradezu über die Felder fegen hört; der süße Schlummer an einem lauen Herbsttag gelingt gar als ein sehr eigenständiges Stück Musik über Musik, ohne dass die Grundlage verlassen worden wäre. Tonlich überaus flexibel, teilweise markant, teils eher schmeichelnd und doch immer auf das Ganze blickend ist Stefan Plewniak und dem ihm in nichts nachstehenden Orchestre de l’Opéra Royal etwas wahrlich Außerordentliches gelungen. – Wie eine Zugabe mutet das Oboenkonzert RV 50 an, das so gar nicht in die geläufigen Vivaldi-Hörmuster passen will. Eine herausragende Einspielung.

Antonio Vivaldi. Concerti op. 8/1–4 (Le quattro stagioni); Oboenkonzert C-Dur RV 450
Stefan Plewniak (Violine und Leitung) Michaela Hrabankova (Oboe), Orchestre de l’Opéra Royal

Chateau de Versailles Spectacles CVS 138 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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