7. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Copenhagen Connections

Copenhagen Connections
Copenhagen Connections
Musikalisch glich der gesamte Ostseeraum im 17. Jahrhundert einer blühenden Landschaft. Zahlreiche Musiker vor allem aus der protestantischen Mitte Deutschlands strömten in politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten gen Norden, setzten über – und belebten so eine weitflächige Region von Kopenhagen über Riga bis Stockholm. Hilfreich waren da die alten Hanse-Beziehungen mit ihrem ausgebauten Wegenetz, zudem galt die deutsche Sprache als «Lingua franca». Mit Einflüssen aus den Niederlanden, aus Italien und dem mitteldeutschen Raum entstand so eine noch bis heute faszinierende Fülle an Ausdrucksformen – zu einer Zeit, in der das regulierende Concerto noch nicht erfunden war und die fantasievolle Suche nach musikalischer Entwicklung und Zusammenhang gleich einem Füllhorn zahllose Möglichkeiten hervorbrachte.

Mit Lars Ulrik Mortensen und seinem Concerto Copenhagen geht es zunächst in die dänische Metropole, wo einst viele herausragende Musiker, und nicht nur Heinrich Schütz, Station machten. Hier wirkten Matthias Weckmann (1616–1674) wie Kaspar Förster (1616–1673), und Johann Valentin Meder (1649–1719) verweilte hier auf seiner mehrere Haltepunkte verzeichnenden Reise nach Riga. Dieterich Buxtehude wiederum entfaltete sein Wirken erst vollständig in Lübeck; dort war der geniale, doch viel zu früh verstorbene Nicolaus Bruhns (1665–1697) einer seiner Schüler. In dieses Netzwerk lässt sich auf diesem alles andere als eintönigem Album bestens eintauchen – dabei empfiehlt es sich sehr, sich ein wenig mit dem Kontext zu beschäftigen, so verblüffend mobil war alles zu jener Zeit. Zwischendurch muss man sich allerdings mit dem für meinen Geschmack zu massiv auftretenden und nur wenig geschmeidigen Bassbariton von Jacob Bloch Jespersen arrangieren.

Buxtehude and his Copenhagen Connections
Dieterich Buxtehude. Kantate «Ich bin die Auferstehung» (BuxWV 44); Balthasar Erben. Sonate B-Dur sopra ut, re, mi, fa, sol, la; Johann Valentin Meder. Kantate «Gott hilf mir, denn das Wasser geht mir bis an die Seele»; Matthias Weckmann. Toccata a-Moll; Kantate «Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid»; Kaspar Förster. Jesu dulcis memoria; Andreas Kirchhoff. Sonata à 6 g-Moll; Nicolaus Bruhns. Kantate «Mein Herz ist bereit»; Kaspar Förster. Sonata à 7.
Jacob Bloch Jespersen (Bassbariton), Concerto Copenhagen, Lars Ulrik Mortensen

dacapo 6.220651 (2018)

https://open.spotify.com/ album/1GSsGcN0qFepgRFPPdGe4V

HörBarBalthasar Erben >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #109 – Musica Baltica