23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Durch den Wald / StimmGold

Durch den Wald / StimmGold
Durch den Wald / StimmGold
Kompositorische Rezeption und Reflexion in der Nachfolge Johann Sebastian Bachs findet man bis in die Gegenwart als lebendiges Dokument einer gültigen Universalität. Aber Max Reger? Während er selbst bei Bach «Anfang und Ende aller Musik» sah, sich auch mit Telemann, Hiller, Mozart und Beethoven in Variationen (und fallweise auch darüber hinaus) schöpferisch auseinandersetzte, blieb er selbst trotz seinen umtriebigen Wirkens ohne weithin sichtbare Spuren im Œuvre anderer. Man muss schon genau hinsehen und wird über den frühen Hindemith hinaus dennoch kaum etwas finden. Zu sehr erschien er neben seine Musik als Person «sonderbar» – manche Anekdote (die schon die Zeitgenossen sammelten) hält sich noch heute beständiger als die Kenntnis wichtiger Opus-zahlen.

Vollkommen verblüfft war ich daher von diesem Album des eng mit Regensburg verbundenen Vokalensembles StimmGold. Es ist nicht die erste CD des Sextetts, wohl aber die bisher ambitionierteste – und sie stellt eine Art Wanderung dar, bei der es mit und von Reger ausgehend «durch den Wald» geht. Allerdings nicht romantisch verklärt, sondern in gegenwärtiger Sicht auf die lokalen, regionalen wie auch globalen Veränderungen. Dem Konzept liegt eine gedankliche Brücke zugrunde, der zufolge sich über die vergangenen 150 Jahre hinweg Musik und Klima veränderten. Musikalisch stehen Regers eigenen Chören op. 39 (mit hohem Gewinn solistisch gesungen) 13 weitere Stücke zu Seite, allesamt Auftragswerke von StimmGold – durchgehend interessant, gelegentlich sogar bemerkenswert, vor allem aber in einer dramaturgisch gerundeten Folge ohne Abbrüche. Wie Reger hier von bloßen Zitaten über gefällige Mixsounds bis hin zu neuen Ansätzen weitergedacht wird, ist mehr als erstaunlich. Ein mit viel Engagement durchdachtes und produziertes Album jenseits des Gewohnten.

StimmGold. Durch den Wald
Theresa Zaremba. O Tod, wie bitter bist du – Rework I & II; Ludwig Böhme. Wald Fragment; Philipp Claßen. Frühlings Tod.; Eva Kuhn. Glazialrelikt; Max Reger. Drei Chöre op. 39 (Schweigen, Abendlied, Frühlingsblick); Teresa Allgaier. Nachtlied – Rework; Owain Park. Sommernacht; Philippe Kocher. Der Wald beginnt zu rauschen; Mathias Rehfeld. Ferne Erinnerung; Timothy C. Takach. Ein Abgang von Fledermäusen; Lukas Mario Maier. Trost; Enjott Schneider. Twilight Peace – Zwielichtiger Friede; Oliver Gies. Die Bienen; Michael Ostrzyga. Allein
StimmGold Vokalensemble, Teresa Allgaier (Synthesizer, Violine), Theresa Zaremba (Synthesizer), Corinne Achermann (Mezzo, Alt)

Spektral SRL4 –22199 (2022)

HörBar<< Robert Oberaigner / Fritz Busch QuartettMax Reger / Joseph Moog >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    Alle Beiträge ansehen
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #097 – Reger 150