19. März 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Koharik Gazarossian / Nare Karoyan

Koharik Gazarossian / Nare Karoyan
Koharik Gazarossian / Nare Karoyan
Man merkt diesen Etüden kaum an, dass sie aus dem Jahr 1958 stammen. Eher könnte man sich viele der insgesamt 24 Nummern um die Jahrhundertwende (1900) vorstellen – so deutlich ist der Bezug zur romantischen Tradition, so klar der volksmusikalische Einschlag. Allerdings wird man aus der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts wohl kaum etwas von der armenischen Klangkultur finden, als andernorts überhaupt erst damit begonnen wurde, dem drohenden Verlust des eigenen musikalischen Erbes mit der Dokumentation auf Phonographen-Rollen zu begegnen. Doch auch in anderer Beziehung stellen die «Études» von Koharik Gazarossian (1907–1967) eine Rarität dar.

Denn die heute kaum ihrem Namen nach bekannte Pianistin und Komponistin, die in Istanbul geboren wurde und in Paris verstarb, hat selbst nie den Boden ihrer kulturellen Heimat betreten, doch vieles von der andernorts vermittelten Kultur aufgesogen und verarbeitet. Da es indes nicht um die Frage der Authentizität geht, sondern um die der Anverwandlung und schöpferischen Originalität, steht die Sammlung einzigartig da. Nach Auskunft des Booklets handelt es sich um einen Durchgang durch alle 24 Tonarten, wobei jedes Stück mit einer individuellen persönlichen Widmung versehen ist, so dass sich in den Nummern ein ganzes musikalischen Netzwerk verbirgt. – Technisch anspruchsvoll und für die musikalische Gestaltung dankbar angelegt, machen diese Etüden (die keine sind) Lust auf mehr aus dem Werkverzeichnis von Koharik Gazarossian (der Nachlass befindet sich in Jerewan). Nare Karoyan versteht es, sie in Ton und Farbe differenziert auszuleuchten und bricht damit engagiert eine Lanze für die vollkommen unbekannten Kleinode.

Koharik Gazarossian. 24 Etudes (1958)
Nare Karoyan (Klavier)

Piano Classics PCL10263 (2021)

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