Man muss vermutlich ein maximaler Reger-Freund sein, um sich für seine Bearbeitung der Bach’schen Brandenburgischen Konzerte für Klavierduo zu begeistern. Sie gehören rezeptionsgeschichtlich zu einer Zeit, in der die Originale nicht bloß wenig gespielt wurden, sondern noch dazu in einer Art und Weise, die von den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis noch weit entfernt lag.
Verfügbar wurde so zumindest die notierte musikalische Gestalt – ganz so übrigens, wie auch Bach selbst italienische Concerti für Cembalo oder Orgel transkribierte. Wichtig aber auch: Neben der Überführung des Satzes auf zwei Klaviere fügte Reger nur wenig hinzu und überließ (entgegen dem Usus der Interpretationsausgaben) insbesondere Fragen der Artikulation jeweils den Ausführenden. Nimmt man Reger selbst beim Wort, der sich persönliche Freiheiten für Nuancierungen und Rubato-Passagen nahm (so sein Bekenntnis in einem Brief an Breitkopf & Härtel), stellt sich heute die Frage, wie mit dem Notentext umzugehen ist. Spielt man die Transkription frei à la Reger (und wenn intendiert, wie dann eigentlich genau?), oder fasst man sie als einen bloß in der Instrumentation transformierten Notentext auf, dem man aufführungspraktisch aktuell (also: historisch mit Blick in das 18. Jahrhundert) begegnet?
Bereits 1996 machte sich das Klavierduo Trenkner-Speidel an die Sammlung (MDG), allerdings in einer ziemlich verhallten Produktion; andere folgten mit einzelnen Konzerten (einer Einspielung bei Grand Piano aus dem Jahre 2018 liegt eine Bearbeitung von Eleonor Bindman zugrunde). Nach drei Alben mit Originalkompositionen und Transkriptionen aus gleich drei Jahrhunderten (alle bei audite) hat sich nun das PianoDuo Takahashi / Lehmann der Reger’schen Ausgabe angenommen und verfolgt dabei einen interessanten eigenen Weg.
Deutlich ist ihrer Artikulation die Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand der Praxis anzumerken – in der Nr. 5 klingt es gar verdächtig nach „Cembalo“, und dennoch wird gerade durch die oktavierten Bässe deutlich genug, dass hier eine andere Faktur dominiert. Verbunden mit dem direkten Klang und einer angenehm trockenen Akustik legt die Produktion damit auch architektonische Strukturen frei, ganz im Gegensatz zu den Orgelwerken, die primär eine andere Klangfarbe erhalten und stärker durchphrasiert werden. Unter verschiedenen Aspekten eine ebenso starke wie spannende Einspielung!
Johann Sebastian Bach: Brandenburgische Konzerte Nr. 1–6 BWV 1046–1051, Passacaglia c-Moll BWV 582, Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, Präludium und Fuge Es-Dur WV 552 arrangiert für Klavierduo von Max Reger
PianoDuo Takahashi / Lehmann
audite 23.445 (2016, 2019)
- Haydn: Sinfonien / Ivan Ilić
- Beethoven – Lachner / Hanna Shybayeva
- Romantische Lieder / Prégardien, Katsaris
- Bach – Reger / PianoDuo Takahashi / Lehmann
- Schubert – Liszt / Can Çakmur