Wie so oft stehen auch hier die Beinamen «Barcelona» und «Apt» lediglich für den derzeitigen Aufbewahrungsort der Manuskripte der singulär überlieferten Mess-Vertonungen. Entstanden sind die Werke bzw. die zu diesen kompilierten Einzelsätze in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, mit einiger Sicherheit in Aragonien bzw. am Hofe der Gegenpäpste in Avignon. Nicht einheitlich zyklisch angelegt (wie bereits bei Machaut oder später im 15. Jahrhundert), zeigen die Stücke eine durchwegs auf höchstem Niveau stehende Kompositionskunst, das aus Apt lässt sich dabei stilistisch eher einer «Proto-Renaissance» als der noch lebendigen «Ars subtilior» zuschlagen.
In diesem Sinne interpretiert auch das bereits 1979 gegründete, sich fortlaufend verjüngende Ensemble Gilles Binchois diese Sätze ohne viele Verzierungen etc. recht gradlinig, allerdings auch die aus noch älterer Zeit stammenden aus Barcelona. Es zeigt damit einen bemerkenswerten Gegensatz zur Einspielung der Machaut-Messe durch das Ensemble Organum – ein aufführungspraktischer Diskurs, bei dem es freilich kein richtig oder falsch gibt, sondern die Vielzahl der Möglichkeiten aufgezeigt werden. Sehr klar und solistisch gesungen, wurden die Stimmen exzellent ohne weiträumigen Nachhall geradezu «kammermusikalisch» eingefangen.
Messe de Barcelone – Messe d’Apt
Ensemble Gilles Binchois, Dominique VellardEvidence Classics EVCD 060 (2018)
- Chants Grégoriens – Saint-Benoît-du-Lac
- Vox clara – Schola Cantorum Riga
- Musique pour Notre-Dame de Paris – Ensemble Organum
- The Saint and the Sultan – Pera Ensemble
- Messes de Barcelone, Messe d’Apt – Ensemble Gilles Binchois