Sibelius & Prokofjew / Janine Jansen

Zu viele Filter bestimmen das Cover, so dass alle Konturen verschwimmen und nivelliert werden. Das Label war bei dieser Gestaltung sichtlich nicht gut beraten, denn die hier eingespielten Konzerte verlangen echte Künstlerpersönlichkeiten. Beide Werke, von Sibelius (in der üblichen Fassung) und das erste Konzert von Prokofjew, gehören zu den Standards des Repertoires, erklingen allzu oft im Saal und wurden vielfach aufgenommen. Warum also diese Einspielung? Weil die Decca ihre Künstlerin über erstaunlich viele Jahre sehr systematisch aufgebaut hat – ein Blick in die Diskographie der letzten 20 (!) Jahre lohnt, um ein Verständnis dafür zu gewinnen. Erstaunlich ist dabei die gegenseitige Treue wie auch der erfrischend gegen den Zeitgeist stehende lange Atem.

Man sagt, mit der von ihr gespielten Shumsky-Rode-Stradivari hätten die Farben und der Ausdruck noch mehr gewonnen. Aber das ist ein Blick, durch ein Schlüsselloch. Eine Künstlerin sollte mehr sein als ihr Instrument, ein Konzert mehr als das Solo, eine Einspielung mehr als eine Momentaufnahme. Und hier muss leider Wasser in den Wein gegossen werden. Denn die Produktion unterscheidet akustisch in höchst bedenklicher Weise zwischen Solo und Tutti – ein Solo, das oft so präsent ist, wie man es sich von Kammermusik wünscht, ein Tutti hingegen, das kaum Gestalt annimmt, sondern wie bei Sibelius eher einem dichten Herbst-Nebel gleicht, aus dem hier und da einzelne Gesten oder Linien in unklaren Konturen hervortreten und wieder verschwimmen. Schon die ersten Takte klingen so verblüffend wie irritierend: Das sanfte Wehen der Streicher gleich einem grauen Rauschen, das Solo steht oft mehr für sich als dass es in Kommunikation tritt. Der weitere Verlauf der Orchesterexposition kommt oft nicht vom Fleck, wirkt wie mit angezogenen Handbremse musiziert. Die offene Faktur und Instrumentierung bei Prokofjew gleicht diese Grunddisposition vielfach aus – aber auch hier stehen immer wieder die Feinheiten der Instrumentation hinten an. Seltsam.

Jean Sibelius. Violinkonzert d-Moll op. 47; Sergei Prokofjew. Violinkonzert Nr. 1 D-Dur op. 19
Janine Jansen (Violine), Oslo Philharmonic Orchestra, Klaus Mäkelä
Decca 485 4748 (2023)