3. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Claassen, Linx & WDR Big Band: And Still we sing

Claassen, Linx & WDR Big Band: And Still we sing

Es gibt Spoken Word! Und es gibt Arrangements, die knallen. Eine WDR BigBand wird durch die Leitung von Magnus Lindgren zu durchaus übergermanischen Flügen angeregt. Aufgeregt, aufregend mit zwei Sänger*innen, die dem ganzen Treiben Paroli und Parolen bieten können. Das geht von der Nummer 1 (Sum it up – disturbing the peace) über fröhlichsülzenden Balladen in 2 (Along Goes Betty). Das klingt in meinen Ohren durchaus wie eine späte Fortsetzung von eskalierenden Rolltreppen aus Composers-Orchestra-Zeiten mit Carla Bley. So umschmeichelnd in Linien, harmonischen Ver-Rückungen und Gesangsenergie – die aus der

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Kupke/Zerbe: Monalisa

Kupke/Zerbe: Monalisa

Eine kleine Serenade von Pretiosen musikalischer Improvisationen. Klarinette und Klavier teilen hier nicht nur die beiden ersten Buchstaben, sondern ihr Faible den unsingbaren Rest. Ein spätes Produkt aus dem Gewächshaus der Ehrerbietung an Hanns Eisler. Hier aber nicht in den vier Fäusten für jenen mit der Wildheit, wie sie Heiner Goebbels und Alfred Harth in direkter Konfrontation ausgebildet haben. Sondern wie durch mehrere Schleier gefiltert in der Tradition des Klavierliedes – nur eben statt mit Stimme mit Klarinette. Kein Wunder also, dass in der „Mahlerei“ auch dessen Liebsubstanz zum Schwingen

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Rifflet – Troubadours

Rifflet – Troubadours

Eine Musik, die einen mitnimmt wie eine Welle oder wie eine Art Treibsand. Nur völlig gefahrlos. Die Kompositionen von Rifflet sind eigentlich im Kern sehr leicht durchschaubar. Auf einem Rhythmus-Bett breitet sich ein melodisches Phrasengeflecht aus. In dieses kann man sich hineinbegeben und sich zurücklehnen. Eine musikalische Karawanenreise ist das am Ende mit so vorzüglicher Klanggestaltung, meditative Musik, tranceartig gewoben. Immer dabei eine gewissen Trauerartigkeit wie beim Marsch (Sordello – Track 1 oder Beatrice – Track 4). Das geht alles ganz ruhig vonstatten, gemurmelt dann auch wieder mal. Mediterranes Flair.

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Ramsch – Carabattola

Ramsch – Carabattola

So ein musikalischer Ramsch aber auch. Da mal wieder ein Trio+ nicht richtig im musikalischen Material aufgeräumt und wirft mit überreifem Klumpatsch um sich herum. Blind wie Maulwürfe sind sie. Und finden doch jeden Wurm. Unter der Erde ist es ja auch dunkelst. Im leeren Raum der Freiheit, liegt alles nur wild herum. Überbietungstechnologien frisieren die unbeheizte Zeit in Form. Grandioses Treiben von Klängen, schnuffiges Aufspüren von recycelfähigem Klingmaterial. Spontanarchitektur aus Tonfäden. Geschenke aus Freifeldaufnahmen in Schweizer Natur geben die nötigen Impulse. Es darf surren, quiepen, schlaraffeln. Dabei immer bequem

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Henkelhausen Quintet: Misantropic Tendencies

Henkelhausen Quintet: Misantropic Tendencies

Am Anfang tut man sich etwas schwer mit dieser Platte. Sie ging beim ersten Vorhören erst einmal an ihren Platz in Wartestellung. Vielleicht … Vielleicht geht es einem im zweiten Durchgang ja besser. Und, oh Wunder, ja. Was für eine klassisch freie Musik mit Duftnoten aus Rauch und Zimt (Track: Tom Has a Big Brain“). Kräftige Würzung mit feinen Noten. Brodelnde Mengen von Klang und Rhythmus mit subtilster, akrobatisch gefädelter Statik, stabil. Eine fortwährende Gefahr solcher „kluger“ Musik: sie verkapselt sich manchmal zu sehr in sich selbst, so dass sie

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Kämmerling Quartett: This Way

Kämmerling Quartett: This Way

Jazz, Jazz, Jazz. Das Quartett hier kommt dem Begriff des traditionellen europäischen (deutschen) Mainstream-Jazz sehr nahe. Jedes der 10 Stücke des Debut-Albums bildet einen eigenen Charakter aus, ohne großes Brimborium, immer dicht am Material, das sich die vier Herren da zu Füßen legen. Das kann ein Chopin-Prelude sein, das können aber vor allem traditionelle Volkslieder sein wie „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ oder Kirchen-„Volkslieder“ wie „Nun ruhen alle Wälder“. Und dabei ergibt sich folgende schöne Konstellation: Man hat nicht das Gefühl, dass da etwas „verjazzt“ wird (etwas, was

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Weber: Once Upon A Time

Weber: Once Upon A Time

Konzert im August 1994 beim „Festival International De Contrebass“ in Avignon. Eberhard Weber solo. Elektrisch mit Effektgeräten für Overdubs. Sechs Stücke. Der Grundklang des Weberschen Musizierens ist bekannt: Ein sündig-süffige Klang, der kugelblitzartig durch den Raum zieht. Damit kann er musikalische Welten an uns vorbeiziehen lassen. Ein Silberschweif zieht dabei mit ihm mit und klingt dabei mit. Die Grenzen zum Pop manchmal deutlich sehr präzise überschreitend, ja fast verletzend. Dann wieder ganz bei sich, verkapselt, als gäe es keine Welt mehr, nur diese eine in sich, in Schleifen verschlingende. Das

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Woody Black 4: The Lost Tapes

Woody Black 4: The Lost Tapes

Mit vier Klarinetten unterwegs durch die Weiten der Welt. Was für ein Hörspaß, was für ein Hörvergnügen. Diese Leichtigkeit der Klänge, die in dieser Weise kein Instrument erreichen kann wie die Klarinette, deren Modulation im Atmen und Phrasieren einfach jedes Material sich unterwerfen kann. Es biegen sich unter der Last des Schwebens alle Komplexitäten zu Sinnespunkten, die sich im Fokus finden und in alle Richtungen zerstäuben können. Mit vier Klarinetten, drei davon im Bassregister, drehste den Stöpsel der musikalischen Ästhetik aus dem verstopftesten Abflussrohr der Musikgeschichte. All das regeln die

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Silent Explosion Orchestra – Portraits of New York City

Silent Explosion Orchestra – Portraits of New York City

Was für ein Name für eine Big Band: Silent Explosion Orchestra. Dabei handelt es sich um ein deutsches Gewächshausorchestra, das „einige der talentiertesten jungen Jazzmusiker von Saarbrücken über Mannheim und Mainz bis nach Köln“ vereine, wie man auf der Website der Kapelle lesen kann. Still explodiert hier aber eher nichts. Überhaupt explodiert selten etwas. Man kann ohne mit den Haaren in den Ohren earzubangen sagen: Solide Arrangements, solides Spiel mit den zwingend nie ausbleibenden Brass-Parallel-Phrasen; meistens jedenfalls. Das Ensemble hat sich nicht weniger attraktiv an New York City Portraits probiert.

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Pride / I Hate Work

Pride: I Hate Work

Ich auch. Ich auch. Darum machen wir es kurz: Repunkisierung via Jazz. Das Trio nimmt sich ein Punk-Album von MDC aus dem Jahr 1982 mit dem Titel „Millions of Dead Cops“ vor. Das geht natürlich in die Hose. Muss es auch. Soll es auch. Geht eben gar nicht. Autsch, knirsch, quiiiiitsch. Und irgendwie dann doch, didil-didumm. Man muss nur alles von links auf noch mehr links drehen, durch Jazzidiomatiken quetschen und ordentlich wolfen. Heraus kommt ein eigenartiges Sammelsurium an Pogopostmoderne, was man sich nicht unbedingt zweimal anhören möchte, sondern gar

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Slowfox: Freedom

Slowfox: Freedom

Slowfox sind das Trio Hayden Chisholm (sax, fl), Philip Zoubek (p,moog) und Sebastian Gramss (b, comp), die mit diese Aufnahme eine ganz aparte, schummerige Platte vorlegen, die so kammermusikalisch intim klingt, wie selten etwas. Teils in komplexer Song-Struktur, die dann aber doch durchschaubar auftritt. Virtuos ist alles ohne dabei diesen Eindruck selbst zu erwecken. Kompositionen wie Freedom leben in dieser Zurückgezogenheit des Ausdrucks, dieser Druckarmut mit hoher Intensität gleichwohl. Keine musikalische Prosa: Hier spricht das „lyrische Wir“ aus den Kompositionen. Die Titel der 15 Einzelstücke entstehen, wenn man das Plattenmotto

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Hildenbrand: Mater

Hildenbrand: Mater

Im September 2020 hat sich Hub Hildenbrand für die Aufnahmen seines Mater-Zyklus in die Dorfkirche von Woddow begeben. Das ist ein kleines Dorf der Uckermark mit ca. 109 Einwohnern. „Die Saalkirche wurde in sauber gequadertem Feldsteinmauerwerk während der Ostkolonisation in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut,“ steht im Wikipedia-Eintrag. Warum das gesagt wird: Nun die von Hildenbrand hier zelebrierte Musik klingt nach „steinalt“ – nach archaischer, erdiger, schwebender Musik, die sich so wunderbar freispielt, wie sie zugleich doch wie verankert und gesichert wirkt. Hildenbrand erschafft hier mit ganz wenig

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