8. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Grażyna Bacewicz / Łukasz Borowicz

Grazyna Bacewicz / Lukasz Borowicz
Grazyna Bacewicz / Lukasz Borowicz
Grażyna Bacewicz ist eine jener Komponistinnen, die nicht erst durch ein neues Denken (wieder)entdeckt werden mussten. Sowohl in ihrer polnischen Heimat als auch diesseits des damaligen Eisernen Vorhangs war sie mit ihrer Musik bekannt und geschätzt. Dass sie in der westlichen Welt nie zum Durchbruch kam, ist aber wohl eher dem unauflösbaren und sich gegenseitig ausschließenden Widerstreit zwischen radikaler Avantgarde und eingefahrenem Abonnement-Repertoire geschuldet: Denn Grażyna Bacewicz (1909–1969) gehörte weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe; sie ging vielmehr – auch im sozialistischen Polen – ihren eigenen Weg.

Den Reigen der zahlreichen Neu-Produktionen erweitert nun das Label cpo mit einer eigenen Bacewicz-Reihe und gewohnt enzyklopädischem Anspruch: So sollen nicht nur die Sinfonien eingespielt werden, sondern sämtliche Orchesterwerke – was das Repertoire erweitert und einen umfassenderen Blick auf das Œuvre ermöglicht. In der zweiten Folge wird dazu ein weiter Bogen gespannt: von der spielerischen Ouvertüre (1943) über die vom «sozialistischen Realismus» nicht sonderlich ernsthaft beeinflusste Sinfonie Nr. 2 (1951) und die Variationen für Orchester (1957) bis hin zu der freien, sehr herben Tonsprache der Musica sinfonica in tre movimenti (1965). Łukasz Borowicz und das WDR Sinfonieorchester haben sich für einen sehr direkten, kernigen Zugriff entschieden – und tatsächlich scheinen sie auf diese Weise recht tief zum Kern dieser Tonsprache vorzudringen, die weder sinfonischen Nebel noch eine falsche Modernisierung verträgt. Die Kanten der Musik werden so direkt fassbar, Harmonik und Linien in ihrer musikalischen Logik nachvollziehbar. Dass dabei die Atmosphäre des Raums ein wenig zu kurz kommt, sollte man der Produktion allerdings nicht anlasten. Im Gegenteil – sie schafft auf wunderbare Weise Klarheit.

Grażyna Bacewicz. Complete Symphonic Works Vol. 2
Ouvertüre (1943); Sinfonie Nr. 2 (1951); Variationen für Orchester (1957); Musica sinfonica in tre movimenti (1965)
WDR Sinfonieorchester Köln, Łukasz Borowicz

cpo 555 660-2 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #108 – Sinfonisches