6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Six: Dance With The Ghosts Quartet

Six: Dance With The Ghosts Quartet
Six: Dance With The Ghosts Quartet

Eine recht seltsame Platte, die hier vorgelegt wird. Seltsam, weil man Kompositionen hört, die aus der Zeit fallen. Durchgehend ist da ein Tempo, das zwischen «schreitend» und «gehend» ossziliert. Deswegen fällt es aus der Zeit. Bei diesem Tempo kommen die vier Musiker:innen in den vollen Genuss, der Ausspielbarkeit von Rhythmus, Melodik und Harmonik.

Schreitend ist zumal der harmonische Verlauf gestaltet, immer mit einem melancholischen Tonfall versehen, einem Tonfall, der wirklich fällt auch dort, wo die Bewegung mal nach oben geht. Die Musik saugt sich an sich selbst fest. Es ist schwer, dem widerstehen zu wollen oder zu können. Wie ein Kokon umspinnen einen hier die komponierten Linien. Es mäandert und schlingt sich alles in ungebrochener Traurigkeit.

David Six fasst seine Konzeption so: «Die Geister unserer Zeit, das sind politische und gesellschaftliche Themen, die uns in ihrer fordernden Fülle zu überfluten drohen. Diese Geister drängen zum Tanz mit ihnen.» Und so sieht dann die Trackliste auch aus: «Chant (For My Daughters’ Friends), Zarifa, Light & Airy, Moria (Quartet Version), The Limbo Of Forgotten Memories, Norway Maple Song (Quartet Version), The Gloaming (Quartet Version), Dance With A Ghosts, Collateral Murder», zeitgeschichtliche politische und gesellschaftliche Zäsuren einer Welt anzeigend, die zunehmend aus den Fugen gerät.

Musikalisch könnte das jetzt auch als ziemlich langweilende Angelegenheit wirken – also wie Jammer-Jam. Das ist jedoch nicht der Fall! Im Gegenteil, das Tempo macht es einem nicht besonders schwer, sich mitnehmen zu lassen und zwischen den musikalischen Zeilen und Instrumenten sich einzulesen und einzuhören in diese Musik. Wobei mit dem letzten Stück «Collateral Murder» auch die Grenzen des Konzepts deutlich aufgezeigt sind. Der Ausbruch am Ende des Albums wirkt in diesem Zusammenhang eigentümlich unfertig.


David Six: Dance With The Ghosts Quartet [2023]

  • David Six – piano & composition
  • Lukas König – drums
  • Beate Wiesinger – bass
  • Mario Rom – trumpet

Session Work Records: SWR 143/23 (VÖ 6.3.2023 – Vinyl, Digital, CD)

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

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hoerbar_nmz

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