Die interpretatorischen Anforderungen sind immens, sowohl spieltechnisch wie auch in der intellektuellen Durchdringung des Satzes. Denn was Ligeti hier konzipiert und entfaltet hat, ist nicht an den vorgegebenen Möglichkeiten des Klaviers entwickelt, sondern geht darüber hinaus. Mich fasziniert daran etwa das wie ein harmonisches Glissando sich entwickelnde Automne à Varsovie, das den Flügel wie in einem Gemälde von Dalí zerfließen lässt, die chromatischen Treppenhäuser in Vertige und L’escalier du diable oder die Imagination eines Marimbaphons in Fém. All das spieltechnisch zu meistern, ist eine Sache; eine ganz andere die Interpretation. Die dahinter stehenden Ausdrucksideen lebendig werden zu lassen, verlangen Vorbereitung, Übersicht, analytische Fertigkeiten, Konzentration und Bravour. Die Einspielung der Études durch die aus Luxemburg stammende Cathy Krier erfüllt all dies und noch viel mehr: sie elektrisiert und zeigt die vielfältigen Dimensionen der Stücke auf. Werke für das 21. Jahrhundert.
György Ligeti. Études pour Piano
Cathy Krier (Klavier)
CAvi-music 8553036 (2020)