7. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Sinfonia of London

Sinfonia of London
Sinfonia of London
Vier Mal «B» wie «British» – und doch trägt das Album den Titel «English Music for Strings». Erklären lässt sich das wohl nur mit Blick in den Katalog lieferbarer Produktionen, denn der naheliegende Titel war bereits durch ein anderes Label besetzt (oder man wollte es auf der Insel wirklich sehr genau nehmen). In der Zusammenstellung der eingespielten Werke steckt allerdings nicht nur ein alphabetischer Witz, sondern ein Stück wahrer Musikgeschichte: Die drei Kompositionen von Bliss, Britten und Berkeley entstanden in enger zeitlicher Folge während der zweiten Hälfte der 1930er Jahre und prägten das Repertoire nachhaltig (die Partituren von Bliss und Britten wurden zudem bei den Salzburger Festspielen aufgeführt).

Dass es sich durchwegs um «große» Musik handelt (die Variations bedeuteten für Britten den internationalen Durchbruch), zeigt diese rundum fulminante Aufnahme durch die Sinfonia of London. Gründlich ausgehört, präzise gespielt, differenziert gestaltet und saftig im Ton wird schon nach wenigen Takten klar, dass man es mit einer hochkarätigen Interpretation dieser richtungweisenden Werke zu tun hat. Der kompakte Klang mag dabei manche satztechnische oder harmonische Finesse verschleiern, dafür aber verblüfft der gestalterische Zusammenhang und die intonatorische Sicherheit. Dass Brittens Variations eher einem organisatorischen Zufall zu verdanken sind, sagt nichts über deren Qualität aus. Im Gegenteil: Vielleicht war es gerade der Zeitdruck, der dem mit der Viola so vertrauten Komponisten den entscheidenden Impuls gab. Manchmal fallen die wahren Meisterwerke erst in einer solchen Engstelle vom Himmel. – Ob sich in der englischen (oder britischen) Musik noch andere Buchstaben in diesem Repertoire so wundervoll vereinen lassen?

English Music for Strings.
Benjamin Britten. Variations on a Theme of Frank Brigde op. 10 (1937); Frank Bridge. Lament H 117 (1915); Lennox Berkeley. Serenade for Strings op. 12 (1938/39); Arthur Bliss. Music for Strings F 123 (1935)
Sinfonia of London, John Wilson

Chandos CHSA 5264 (2020)

HörBar

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #052 – for Strings