2. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Adès: Concerto, Totentanz – Gerstein / Bosten Symphony Orchestra / Adès

Adès: Concerto, Totentanz – Gerstein / Bosten Symphony Orchestra / Adès

Es ist ein gutes Zeichen, wenn ein Komponist auch als Instrumentalist und Dirigent präsent ist. Die Musikgeschichte hat mit dieser Konstellation bis zur Klassische Moderne beste Erfahrungen gesammelt: von Brahms und Mahler über Bartók und Hindemith bis Strawinsky. Auch wenn in keinem Fall eine auktoriale Aufführungstradition begründet wurde (so einst die ausdrückliche Motivation von Max Reger), waren die Komponisten doch die besten Promoter des eigenen Schaffens. Zwischenzeitlich ein wenig aus der Mode gekommen, finden sich solche Doppelfunktionen derweil wieder häufiger. Thomas Adès ist dabei einer der prominentesten Akteure – und

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Abrahamsen, Pesso, Strasnoy: Piano Concertos – Alexandre Tharaud

Abrahamsen, Pesson, Strasnoy: Piano Concertos – Alexandre Tharaud

Was für eine spannende Produktion! Alexandre Tharaud zeigt sich nicht nur als versierter, sondern auch als höchst inspirierter Interpret von zeitgenössischer Musik. Zudem hat das Label Erato so viel Vertrauen in die Zugkraft des Pianisten, dass es diese CD mit Live-Mitschnitten überhaupt herausgebracht hat: drei Werke von drei Komponisten, drei Orchester mit drei Dirigenten – ein Pianist. Doch sollte das Album nicht als bloße Dokumentation verstanden werden oder gar als weiterer Beleg für die künstlerische Breite und Potenz von Tharaud. Die Partituren belegen vielmehr, welche Perspektiven die Gattung „Konzert“ wie

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Tarkiainen – Lapland Chamber Orchestra / John Storgårds

Tarkiainen – Lapland Chamber Orchestra / John Storgårds

Exotismen haben schon in früheren Jahrhunderten fasziniert. Heute ist mit dem neuen, fremdartig anmutenden «input» zugleich die Gefahr verbunden, dass in einer immer kleiner werdenden Welt die Chancen für das «Andere» schwinden, dass kulturelle Minoritäten wie auch Sprachen und Dialekte in absehbarer Zeit bestenfalls assimiliert werden, wenn weder regionale Selbstbehauptung noch intensive Pflege Schutz gewähren. Insofern hat es der hohe Norden auf den ersten Blick noch gut – doch auch hier hat der Wandel längst begonnen. Insofern wirkt der Liederzyklus The Earth, Spring’s Daughter der finnischen Komponistin Outi Tarkiainen wie

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Rasmussen: Alone & Together

Rasmussen: Alone & Together

Eine Produktion, die zum Nachdenken anregt: Zunächst das Cover mit seinem radikalen Understatement, das sich das dänische Label Dacapo neuerdings für die eine oder andere Veröffentlichung leistet: ganz ohne jedes Motto oder die üblichen Angaben zu Komponist, Werk und Interpreten. Selbst das Backcover bleibt die Namen der Musiker schuldig… Dann die Idee, die Karl Aage Rasmussen mit zwei seiner eingespielten Partituren verfolgt: Als composer in residence des Concerto Copenhagen (dem wohl renommiertesten Barock-Ensemble Dänemarks) greift er die Idee des alten Concerto auf – und verlangt konsequent das entsprechende Instrumentarium. An

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Gedizlioglu: verbinden und abwenden

Gedizlioğlu: verbinden und abwenden

Das bloße Abgleiten in die Stille ist nichts für Zeynep Gedizlioğlu. Vielmehr entfaltet sie selbst in den Pausen eine Spannung, die es mit der Kraft des Tönenden aufnehmen kann. Es ist eine unmittelbar erfahrbare Expressivität, die von der Musik Gedizlioglus ausgeht – wohl auch, weil sie sich nicht an abstrakten Plänen festhält, sondern den Akt des Komponierens für sich als ein „Hin und Her zwischen Spontaneität und Intellekt“ definiert hat. Die daraus erwachsene musikalische Sprache strotzt nur so vor Selbstbewusstsein und Stärke; sie beschränkt sich nicht auf knappe Abläufe, sondern

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Lento religioso – Amsterdam Sinfonietta / Candida Thompson

Lento religioso – Amsterdam Sinfonietta / Candida Thompson

Das Motto der CD ist Programm. Entliehen ist es dem dritten Satz der Symphonischen Serenade op. 39 (1947/48) von Erich Wolfgang Korngold, doch erstreckt es sich emotional über alle sieben Tracks, die sich so zu einem großen Charakterbild zusammenfügen. Dramaturgisch schlüssig ist dabei die Kombination von Arrangements und Einrichtungen einzelner Sätze sowie originalen Partituren für Streichorchester: auf der einen Seite Alban Bergs Sonate op. 1 und Wagners Vorspiel zu Tristan und Isolde, auf der zweiten das Adagio aus Anton Bruckners Streichquintett, auf der dritten endlich neben Korngolds eindringlichem Satz ein

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Brahms: Sinfonien – Wiener Symphoniker / Philippe Jordan

Brahms: Sinfonien – Wiener Symphoniker / Philippe Jordan

Philippe Jordan und die Wiener Symphoniker haben in den letzten Jahren mit ihrer schrittweise erschienenen Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien überzeugt – klanglich ausgewogen und präsent, interpretatorisch gleichermaßen den Traditionen verbunden wie auch frisch im Zugriff. Nun also Brahms. Die Box überrascht (wie vor einiger Zeit auch bei Daniel Barenboim) mit der Entschlossenheit, jede der vier Sinfonien auf eine CD zu bannen, obwohl zumindest Nr. 3 und 4 zu koppeln gewesen wären. Zugleich wurde auf das bei solch einer Gelegenheit oft übliche sinfonische „Supplement“ verzichtet: kein Auffüllen der Spielzeit mit den Haydn-Variationen

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Rott: Orchestral Works – Gürzenich Orchester Köln / Ward

Rott: Orchestral Works – Gürzenich Orchester Köln / Ward

Was wäre nur aus Hans Rott geworden, wenn schon im Jahr 1880 ein Rauchverbot bei der Eisenbahn bestanden hätte? So jedenfalls hinderte er im Verfolgungswahn mit vorgehaltenem Revolver einen Mitreisenden daran, sich eine Zigarre anzustecken: Brahms hätte Dynamit im Waggon deponiert … Psychisch vollkommen zerrüttet, verblieb Rott für die letzten Jahre seines kurzen Lebens (1858–1884) in der Niederösterreichischen Landes-Irrenanstalt in Wien. Erst mit der sensationellen Uraufführung seiner Sinfonie E-Dur in Cincinnati, über 100 Jahren nach ihrer Vollendung, erwachte wieder die Aufmerksamkeit auf einen Komponisten, über den sich sein ehemaliger Kommilitone

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Beethoven / Barry – Britten Sinfonia / Thomas Adès

Beethoven / Barry – Britten Sinfonia / Thomas Adès

Unter den viel zu wenigen Produktionen, bei denen Werke von Beethoven mit solchen unserer eigenen Zeitgenossen kombiniert werden, ist diese sicherlich programmatisch eine der interessantesten. Denn dem innersten „Kernrepertoire“, den Sinfonien, werden Partituren nur eines Komponisten an die Seite gestellt, hier und auch in der nächsten Folge Werke des irischen Komponisten Gerald Barry (geb. 1952). Mit Beethoven ist bereits 2008 abseits aller Jubiläen ein gleichermaßen klanglich kantiges wie musikalisch mit hohem Witz versehenes Stück entstanden, eine Szene im Sprechgesang, basierend auf dem Brief vom 6./7. Juli 1812 aus Teplitz an

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Schreker: Complete Orchestral Works Vol. 1 – Bochumer Symphoniker / Steven Sloane

Schreker: Complete Orchestral Works Vol. 1 – Bochumer Symphoniker / Steven Sloane

Die Musik von Franz Schreker ist im Plattenschrank wahrlich keine Rarität mehr – auch wenn einige Aufnahmen schon lange wieder vergriffen sind. Dass Schre­ker dennoch für viele „Professionals“ wie Liebhaber noch immer ein unbeschrie­benes Blatt darstellt, ist Folge vielfältiger historischer Konstellationen. Da wäre zunächst das frühzeitige Stören und dann Abschneiden seiner Karriere durch die Nationalsozialisten sowie sein nur kurz darauf folgender Tod, die das Œuvre in Vergessenheit geraten ließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt Schrekers faszinierend flirrende spätromantische Klangsprache lange Zeit als überkommen, sie passte schlichtweg nicht in die vorherrschende

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Extra Time – La Serenissima / Adrian Chandler

Extra Time – La Serenissima / Adrian Chandler

Eher Nachspielzeit als Zugabe. So ist dieses Album entstanden, das auf dem Cover den Eindruck einer namhaften Auswechselbank beim Duschen hinterlässt. Dumm nur, dass die Graphik eine wunderbare Chance vergeben hat: Hängt man nämlich die Shirts von „Albinoni“ und „Vivaldi“ einmal um, so hätte sich mit 1729 ein für die eingespielten Werke guter chronologischer Mittelwert ergeben. Entstanden ist die CD mit dem etwas seltsamen Titel „Extra Time“ tatsächlich durch Werke, mit denen am Ende von Aufnahmesitzungen die noch vorhandene Zeit gefüllt wurde. Diese Tracks lagen dann teilweise in der berüchtigten

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Vivaldi: Concerti per violino VIII – Le Concert de la Loge / Julien Chauvin

Vivaldi: Concerti per violino VIII – Le Concert de la Loge / Julien Chauvin

Seit 2001 erschienen im Rahmen der „Vivaldi Edition“ Jahr um Jahr gleich mehrere Folgen auf CD: Opern, geistliche Vokalmusik, Concerti und Sonaten. Nahezu jede Produktion ist dabei ein Erlebnis: Nicht nur weil das Cover bei jeder Produktion immer wieder überrascht, sondern weil auch verschiedene Solisten und Ensembles verpflichtet werden. Für die allein ihrer Anzahl nach schier endlos anmutenden Konzerte für Solovioline waren dies zuletzt die Accademia Bizantina (mit Alessandro Tampieri), Europa Galante (mit Fabio Biondi) und Il Pomo d’Oro (mit Dmitry Sinkovsky). Nun ist es am Concert de la Loge

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