5. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Rasmussen: Alone & Together

Rasmussen: Alone & Together
Rasmussen: Alone & Together

Eine Produktion, die zum Nachdenken anregt: Zunächst das Cover mit seinem radikalen Understatement, das sich das dänische Label Dacapo neuerdings für die eine oder andere Veröffentlichung leistet: ganz ohne jedes Motto oder die üblichen Angaben zu Komponist, Werk und Interpreten. Selbst das Backcover bleibt die Namen der Musiker schuldig…

Dann die Idee, die Karl Aage Rasmussen mit zwei seiner eingespielten Partituren verfolgt: Als composer in residence des Concerto Copenhagen (dem wohl renommiertesten Barock-Ensemble Dänemarks) greift er die Idee des alten Concerto auf – und verlangt konsequent das entsprechende Instrumentarium. An die Modelle des 18. Jahrhunderts anzuknüpfen und diese nach eigenen Vorstellungen weiterzuführen, ist keineswegs neu. Zeitgenössische Musik aber für altes (oder entsprechend nachgebautes) Instrumentarium zu schreiben, ist hingegen bisher rar und dürfte zukünftig neue klangliche Möglichkeiten eröffnen (derzeit freilich unter Berücksichtigung der noch obligatorischen tieferen Stimmung). Hier kann Rasmussen mit dem Concerto for Baroque Oboe weit mehr überzeugen als mit dem für Baroque Violin. Zwar verzichtet er auf formale, motivische oder auch nur gestische Allusionen; nur gelegentlich (so gleich zu Beginn) scheint die eine oder andere Tonkonstellation seltsam vertraut. Die obligate Verwendung des Cembalos allerdings wirkt seltsam antiquiert und erinnert eher an die Verwendung des Instruments in Film und Pop der 1960er Jahre. Wie sehr sich Rasmussens musikalische Sprache in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat, zeigt Sinking Through the Dream Mirror aus dem Jahre 1993 für Violine und Kammerensemble – eine Komposition, die sich in der Textur flexibel gibt, mit Prelude, Passacaglia und Rondo bewusst historisch verortet und im Scherzo an Patterns und amerikanischen Westküsten-Sound jener Jahre anknüpft. – Dass ein Komponist für den gesamten Booklet-Text verantwortlich zeichnet, ist eher ungewöhnlich. Kommentare, Anekdoten und ästhetische Einsichten sollten eher einen reflektierenden Essay ergänzen.


Karl Aage Rasmussen: Concerto for Baroque Violin (2018), Concerto for Baroque Oboe (2015), Sinking Through the Dream Mirror (1993)
Fredrik From (Violine), Alfredo Bernardini (Oboe), Anne Søe (Violine),
Concerto Copenhagen, Athelas Sinfonietta Copenhagen, Magnus Fryklund
Dacapo 8.226221 (2018, 2019)

 

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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