6. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Stefano Scodanibbio / Arditti Quartet

Stefano Scodanibbio / Arditti Quartet
Stefano Scodanibbio / Arditti Quartet
Seit seinem Tod ist es um die Musik von Stefano Scodanibbio (1956–2012) recht ruhig geworden. Das vorliegende Album eingeschlossen, sind lediglich drei CDs erschienen – zu wenig, wenn man sich auf die fantastische Klangwelt des zuletzt in Mexiko lebenden Italieners einlässt. Als der wohl bedeutendste Kontrabassist seiner Zeit kann Scodanibbio als Prototyp des alten wie neuen Interpreten-Komponisten gelten: Durch die von ihm erforschten und eingeführten Spielweisen erweiterte er auch seine eigene musikalische Sprache – nicht nur auf dem Bass, sondern weit darüber hinaus und wie hier für Streichquartett.

Das bereits 2016 aufgenommene und 2022 erschienene Album mit dem Arditti Quartet (das damit eine alte, noch mit Scodanibbio selbst diskutierte Idee realisierte), stellt gewissermaßen die Fortsetzung einer 2013 bei ECM erschienenen CD dar, die eine Reihe von Bearbeitungen (gespielt vom Quartetto Prometeo) enthält. Schon die drei Nummern aus Bachs Kunst der Fuge begeistern durch ihre mittels bestimmter Flageolett-Kombinationen erzeugte ätherische Klanglichkeit. Die vier eigenen, zwischen 1985 und 2003 entstandenen Streichquartette – jeweils mit individuellem Namen und Widmungen – stellen nun den konsequenten zweiten Schritt dar. Es ist eine wundersame Klangwelt, in die man hier eintauchen kann; sie hält in den ruhig atmenden Passagen die Zeit an und ergreift in eher agitativen Passagen das Heft des Handelns. Auf der Suche nach unerhörten Klängen stellen sich melodische Fragmente und konsonante Ereignisse ein – wie zufällig, jedenfalls ohne in Atavismus zu verfallen (dies gilt auch für die Mas lugares, die auf Madrigale Monteverdis zurückgehen). Eigentlich sind wohl beide Alben zusammen zu denken und dringen gemeinsam zum Kern einer ganz eigenen, sich gar nicht versperrenden Musiksprache vor, die nun selbst genauer zu erforschen wäre: aus der Vergangenheit stammende Klänge für die Gegenwart und Zukunft. Wer Zeit und Ruhe investiert, wird reich belohnt.

Stefano Scodanibbio. Visas (1985/87); Lugares que pasan – a Adolfo Castañon (1999); Altri Visas (2000); Mas Lugares (su Madrigali di Monteverdi) – a Luciona Berio (2003)
Arditti Quartet

KAIROS 0015091 KAI (2016)

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