6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Straszny dwór (1865)

Straszny dwór (1865)
Straszny dwór (1865)
Nach der gefeierten Premiere der Halka in ihrer vieraktigen Fassung wurde Stanisław Moniuszko mit Beginn der Saison 1858/59 zum Chefdirigenten der Opera Narodowa, der Polnische Nationaloper, im Warschauer Teatr Wielki ernannt. Sogleich entfaltete er seine Tätigkeit für die Bühne – unter anderem mit dem letztlich vergeblichen Versuch, eine seiner Partituren auch in Paris aufführen zu lassen. Bedingt durch die politischen Entwicklungen jener Jahre blieb Moniuszko hier wie auch anderswo der internationale Durchbruch indes versagt. Zugleich wurde sein Hauptwerk, die vieraktige Oper Straszny dwór (Das Geisterschloss) nach drei überragend aufgenommenen Aufführungen durch die russische Zensur kassiert. Allzu deutlich hatte Jan Chęciński mit seinem Libretto eine symbolreiche Parabel über die Gesellschaft jener Zeit entworfen, viel zu überzeugend war Moniuszkos Musik mit ihren Rekursen auf urpolnische Rhythmen. Und so blieb die Partitur in den damaligen Grenzen der Kulturnation bis 1914 ungespielt und geriet zum fernen Mythos; nur im ukrainischen Lviv (Lemberg), das zum liberaleren Österreich-Ungarn gehörte, wurde sie noch gespielt.

Die jüngste Einspielung der Oper stammt vom 15. Internationalen Chopin Festival, das unter dem Motto «Chopin and his Europe: From Chopin to Moniuszko» stand. Für diesen erlesenen Rahmen wurde ein hochkarätiges Ensemble verpflichtet und ihm mit dem einst von Frans Brüggen gegründeten Orchestra of the 18th Century ein Klangkörper an die Seite gestellt, der mit historischem Instrumentarium und unter der Leitung von Grzegorz Nowak die Partitur in all ihren Facetten zum Blühen bringt. Das betrifft zum einen die spritzigen Rhythmen, zum anderen die kontinuierliche Aufmerksamkeit und Präzision bei der Begleitung der Solist:innen. Hier zahlt sich aus, dass nicht einfach bei einer einzigen Aufführung ein paar Mikrophone aufgestellt wurden, sondern über mehrere Tage hinweg im Konzertsaal des polnischen Rundfunks produziert wurde. Die Aufnahme setzt so in mehrerlei Hinsicht Maßstäbe: für das Werk, für Moniuszko als Opern-Komponisten – und hoffentlich auch für die weitere Rezeption.

Stanislaw Moniuszko. Straszny dwór (Oper in 4 Akten)
Tomasz Konieczny (Bass-Bariton), Edyta Piasecka (Sopran), Monika Ledzion-Porczyńska (Mezzo), Arnold Rutkowski (Tenor), Mariusz Godlewski (Bariton), Karol Kizlowski (Tenor), Malgorzata Walewska (Mezzo), Marcin Bronikowski (Bariton), Rafal Siwek (Bass), Joanna Motulewicz (Mezzo), Pawel Cichoński (Tenor), Oksana Golambowska (Alt), Podlasie Opera and Philharmonic Choir, Orchestra of the 18th Century, Grzegorz Nowak

NIFC CD 084-085 (2018/19)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #073 – Moniuszko 150