26. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Schultze / Trattamento dell’Harmonia

Kaum schöner kann man sich wohl eine «Harmonie-Behandlung» vorstellen, als dies Martin Christian Schultze in seinem Trattamento dell’Harmonia getan hat – ein Komponist, über den nichts weiter bekannt ist als das, was das Titelblatt des 1733 in Paris erschienenen Drucks hergibt und der Mercure de France im März des Jahres bestätigt: «M. Schultze, de Berlin». Doch gehörte er wirklich zu der großen Musikerfamilie, die im 18. und frühen 19. Jahrhundert an der Spree wirkte? Dem als Opus 2 bezeichneten Trattamento gingen bereits zwei Jahre zuvor als «op. 1» sechs Sonaten für Traversflöte und B.c. voraus, anderes scheint allerdings nicht nachgefolgt zu sein (oder es ist nicht nachzuweisen). Daraus ergeben sich allerdings weitere Fragen: Blieb dieser Schultze, bei dem man davon ausgehen kann, dass er um oder kurz nach der Jahrhundertwende das Licht der Welt erblickt hatte, in Paris? War es nur ein mehrjähriger Aufenthalt? Woher kam er, wohin ging er? Gibt neben dem einen Pariser Exemplar das aus Berlin einen Hinweis? Allerdings ist bei diesem Depositum die Provenienz fraglich.

Schultze / Trattamento dell'Harmonia
Schultze / Trattamento dell’Harmonia

Was also bleibt, ist die Musik. Und hier wählte Schultze die in den 1730er Jahren beliebte Besetzung mit Flöte, Violine, Viola da gamba und Basso continuo, auf die schon 1730 Georg Philipp Telemann in seinen Quadri zurückgegriffen hatte (sie erschienen 1736 in Paris als Nachdruck, 1738 gefolgt von einer weiteren Sammlung, den Nouveaux Quatuors). Schultze hingegen fügte dem poetischen Titel seines Opus noch ein erläuterndes «per sinfonie da camera a quatro istromenti» hinzu – wobei das «6 Sinfonias» auf dem Cover sich wiederum auf die Werkbezeichnungen stützt. Alles andere als gleichförmig sind die einzelnen Kompositionen gestaltet: Sie umfassen drei, vier oder fünf Sätze und beanspruchen jeweils eine Spielzeit von ca. 9 bis 16 Minuten. Klanglich stimmig und ausgewogen nimmt sich das österreichische «Ensembles Klingekunst» dieser gleichermaßen gediegenen wie inspirierten Raritäten an und setzt sie in ein überaus vorteilhaftes Licht. Dass Schultze die Werke als Zyklus dachte, zeigt der letzte Satz der sechsten Sinfonia c-Moll: ein fugiertes Alla breve, das deutlich auf die Herkunft des Komponisten verweist. Schön, wenn Musik wenigstens teilweise Fragen beantworten hilft.


Martin Christian Schultze: Trattamento dell’Harmonia (6 Sinfonias)
Ensemble Klingekunst

cpo 555 225-2 (2018)

 

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