27. Juli 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Fasch / Claviermusik

Seine Büste steht recht prominent vor dem Berliner Maxim Gorki Theater. Doch so wie heute auf den ersten Blick nichts mehr an diesem 1827 eingeweihten Bau an die dort einst beheimatete Sing-Akademie erinnert (seit fast 70 Jahren werden dort zeitgenössische unterhaltende Schauspiele dargeboten), so bringt man mit der für die Bach-Rezeption so wichtigen Institution im ersten Moment wohl eher den Namen von Carl Friedrich Zelter in Verbindung – nicht aber den des wirklichen Gründers von 1791, nämlich den von Carl Friedrich Christian Fasch (1736–1800).

Ohne diese Tat wäre Fasch, Sohn des nun auch wieder (ein)gespielten Zerbster Hofkapellmeisters Johann Friedrich, sicherlich durch das oftmals allzu grobmaschige Netz der Geschichte gefallen. Offenbar bescheiden, ohne große äußere Ambitionen und vor allem skrupulös gegenüber den eigenen Werken blieb er vor allem musikalisch eine Randgestalt: Mehrfach machte Fasch «tabula rasa» mit seinen Kompositionen, und was sich erhalten hat, entging diesen Aktionen nur durch Zufall (die a-cappella-Werke für die Sing-Akademie ausgenommen).

Fasch / Claviermusik
Fasch / Claviermusik

Dass Fasch allerdings etwas zu sagen hatte, macht Philippe Grisvard mit diesem Album deutlich. Drei Sonaten (darunter eine im Ausdruck dunkel timbrierte in b-Moll) sowie einige frühere Einzelstücke lassen viel von der kompositorischen Potenz erahnen, die Brücken zwischen Epochen baute. Faschs Interesse an der Musik Bachs bezog sich sowohl auf Johann Sebastian wie auch auf CPE, mit dem er sich die Position am Cembalo bei Friedrich II. in Potsdam teilte. Empfindsamkeit und Charakter entwickeln sich bei ihm zu einem faszinierenden Kaleidoskop der Möglichkeiten – zumal hier auch noch im späteren 18. Jahrhundert Vorzüge der «Berliner Schule» durchscheinen. Auf einem Johann André Stein zugeschriebenen Hammerflügel von 1790 entfaltet Grisvard in jeder einzelnen Phrase mit kontrolliertem Anschlag eine Fülle an Farben, die man bei anderen Instrumenten so nicht findet: von in sich ruhender sonorer Wärme bis hin zu hellen, metallischen Klängen – ein für die Musik dieser Zeit noch immer unterschätzter Parameter.

Im Booklet fehlt ein Hinweis auf den Rellstab-Druck von sechs Sonaten (RISM A/I F 116 bzw. FF 116) ebenso wie auf die schön gesetzte Neuausgabe von Christopher Hogwood in der Edition HH (2011/13).


Carl Friedrich Christian Fasch: La Hagenmeister; L’Antoine; La Jeannette; Sonate b-Moll; La Cecchina; Sonate C-Dur; La Socrates; Sonate F-Dur; Ariette avec quatorze variations

Philippe Grisvard (Fortepiano)

Audax ADX 13725 (2019)

 

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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