17. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
In a Strange Land / Ensemble Stile Antico

In a Strange Land / Ensemble Stile Antico

Entscheidend für das Verständnis der eingespielten Werke ist der mitgelieferte Untertitel: «Elizabethan Composers in Exile». So steht einmal mehr die hochpolitische Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts im Zentrum; hier geht es um die Folgen einer päpstlichen Bulle, die der Königin das Recht auf den Thron absprach und allen Gefolgsleuten mit der Exkommunizierung drohte. Doch so sehr die Schiffe auf dem Cover eine kollektive Ausreise nahe legen – das Konzept geht nicht ganz auf. Denn die Verhältnisse waren (wie immer) deutlich komplizierter, geprägt von Verrat und falschen Freundschaften; es ging nicht

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French Duets

French Duets

Vierhändige Klaviermusik war zu allermeist für den Salon oder die «gute Stube» bestimmt. Entsprechend finden sich im Repertoire Bearbeitungen von Sinfonien und Streichquartetten(!), die regelmäßig erstellt wurden, um zu einer Zeit ohne geeignete mechanische Reproduktionsmöglichkeiten wenigstens bekannte wie neuere Werke zu verbreiten, so dass diese «erspielt» werden konnten. Darüber hinaus entstand für das vierhändige Spiel eine Vielzahl von originären Werken in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Ausdruckssphären. Ein wenig von der Vielfalt um die Wende zum 20. Jahrhundertwende zeigen Paul Lewis und Steven Osborne mit diesem Album, das wohl nur aus Versehen

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Around Paris

Around Paris

Muss man ein Album wirklich «Around Paris» nennen, wenn sich dieses Versprechen schon mit Blick auf die Werke nicht erfüllt? Offenbar bestand nur wenig Zutrauen in die eigene Auswahl, so dass dieser fraglos atmosphärische Titel einen Zusammenhang stiften soll, der letztlich nicht gegeben ist. Strawinskys L’histoire du Soldat entstand nun einmal in der Schweiz, ebenso wie Bartóks Kontraste. Sie bleiben hier dennoch keine Fremdkörper, denn das Programm wird durch die ungewöhnliche kammermusikalische Formation aus Klarinette, Violine und Klavier getragen, die man eigentlich als von Bartók gesetzt annimmt, für die allerdings

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Chamber Music with Winds and Piano

Chamber Music with Winds and Piano

In einer noch immer erstaunlich anmutenden produktiven Wechselwirkung beförderten sich in den letzten drei Dekaden des 19. Jahrhunderts der französische Instrumentenbau, Pariser Institutionen und am Repertoire interessierte Komponisten gegenseitig und brachten so die kammermusikalisch unterrepräsentierten Holzbläser zu neuem Glanz. Ablesbar ist dies an der Gründung der Société Nationale de Musique (1871), der Société de Musique de Chambre pour Instruments à Vent (1879) sowie der Société Moderne d‘Instruments à Vent (1879), aber auch an der Anzahl musikalisch herausragender Werke, die nicht allein einzelne Instrumente idiomatisch erkunden, sondern auch zu neuen Formationen

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Les Vents Français / Moderniste

Les Vents Français / Moderniste

In einer langen und bedeutenden Tradition von französischen Bläservereinigungen steht das Ensemble «Les Vents Français». Der Name ist vollauf gerechtfertigt, denn hier haben sich schon vor mehr als anderthalb Jahrzehnten erstklassige französische Solisten zu gemeinsamer Kammermusik zusammengefunden und propagieren die im Konzertleben unterrepräsentierte Formation mit Esprit und einem Niveau, das nur wenige erreichen oder erreicht haben. Zugleich ist das mit Éric Le Sage am Klavier erweiterte Ensemble eher im 20./21. Jahrhundert zuhause als im Bereich der Klassik und Romantik, wo der lohnende Werkbestand doch eher überschaubar ist. Charakteristisch für die

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Le Tombeau de Claude Debussy

Le Tombeau de Claude Debussy

1920 veröffentlichte die gerade erst von Henry Prunière gegründete und für 21 Jahre kontinuierlich erscheinende Zeitschrift La Revue musicale eine Sondernummer mit dem Titel Le Tombeau de Claude Debussy. Insgesamt zehn Stücke von zehn Komponisten sind hier als ein buntes Kaleidoskop neben einer Lithographie von Raoul Dufy versammelt. Sie zeugen von der inneren Verbundenheit und dem schöpferischen Respekt gegenüber dem zwei Jahre zuvor und zu früh verstorbenen Komponisten, der mit seinen Harmonien und Klängen Türen in die Moderne geöffnet hatte. Da durch die Redaktion kein äußerer Rahmen vorgegeben worden war,

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Beethoven 7 – Prometheus / FBO – van der Goltz

Beethoven 7 – Prometheus / FBO – von der Goltz

Fast könnte man von einem rezeptionsgeschichtlichen Glücksfall sprechen. Denn sowohl das Jubeljahr 2020 wie auch die vielfach zum «Nachholen» angedachte Verlängerung 2021 sind für Beethoven und seine Werke ausgefallen. Hand aufs Herz: Bereits die nur angekündigte Omnipräsenz hatte die Befürchtung bestätigt, dass zumeist wieder einmal allzu gewöhnliche Programme entworfen worden waren – einmal abgesehen von all den ganzen oder halben Zyklen, den herausragenden singulären Events oder auch dem Tonträgermarkt. Wirkliche Überraschungen waren selbst hier nur selten anzutreffen. Doch während mehrere Labels mit ihrem redlich erarbeiteten, glücklich vererbten oder bloß angekauften

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Imants Kalniņš: Complete Symphonies

Imants Kalniņš: Complete Symphonies

Imants Kalniņš (geb. 1941) ist ein Wanderer zwischen den Welten. Klassisch an der Lettischen Musikakademie ausgebildet, schrieb er insgesamt sieben Sinfonien, Kantaten und Chorwerke – aber auch die Rockoper Ei, jūs tur! (Hey, ihr da!, 1971), ein Rockoratorium Kā jūra, kā zeme, kā debess (Wie das Meer, wie die Erde, wie der Himmel, 1984) sowie zahlreiche Songs. Wer als Purist mit den klassischen Werken des populären Grenzgängers Andrew Lloyd Webber hadert, sollte dennoch die Musik von Kalniņš nicht zu schnell auf die Seite legen. Zu einem vergleichbaren internationalen Erfolg hat

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Gustav Mahler 4 / Jakub Hrůša

Gustav Mahler 4 / Jakub Hrůša

Spätestens mit dem denkwürdigen Konzert der Berliner Philharmoniker zum 1. Mai 2020 ist Mahlers 4. Sinfonie ein Werk des 21. Jahrhunderts geworden. Selten wird man in unseren Zeiten so viel Sehnsucht nach den «himmlischen Freuden» empfunden haben, selten nur wird man in unseren Generationen Musik in einer solchen kulturellen und auch existenziellen Endzeitstimmung wahrgenommen haben. Gespielt wurde damals mit gehörigem Abstand die Fassung für Kammerensemble von Eduard Steuermann. Dass nur wenige Wochen später (im Juli 2020) schon wieder Aufnahmesitzungen der originalen Partitur möglich wurden, war an jenem Tag wahrlich nicht abzusehen…

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Vasily Petrenko / Prokofjew, Mjaskowski

Prokofjew 5, Mjaskowski 21 – Vasily Petrenko

Es müssen nicht immer gleich groß angelegte Aufnahme-Zyklen sein. In den beiden letzten Jahrzehnten ist mit der umfassenden Globalisierung des CD-Marktes auch eine zunehmende Internationalisierung der Klangkörper einher gegangen – und damit die Chance, für das eine oder andere Label großes Repertoire umfänglich einzuspielen. Gelegentlich war ein guter Wurf dabei; das meiste blieb und bleibt allerdings im Bereich von Erbsensuppe, also gediegener Hausmannskost. Aus dem Blick geraten ist dabei die gepflegte Einzelproduktion, auf die über einen nicht zu kurz bemessenen Zeitraum hingearbeitet wird und mit der man sich eine tadellose

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HörBar #33, Charles Ives, Los Angeles Philharmonie, Gustavo Dudamel, Deutsche Grammophon

Charles Ives: Sinfonien Nr. 1–4 / Gustavo Dudamel

Obwohl Charles Ives in New York tätig war, scheint seine Musik allein an der amerikanischen Westküste ein diskographisches Echo gefunden zu haben. Abgesehen von den Einspielungen unter Leonard Bernstein aus Manhattan (allerdings nur die Nr. 2 und 3) und dem Zyklus mit Charles Davis aus dem australischen Melbourne (Chandos) stand bisher immer die um zahlreiche kleinere Partituren ergänzte Gesamteinspielung mit dem Orchester aus San Francisco unter Michael Tilson Thomas einzig da. Dass nun die Deutsche Grammophon, deren Neuproduktionen seit geraumer Zeit das Repertoire seltsam ausfransen lassen, eine Einspielung der vier

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Hannes Seidl / Daniel Kötter: Stadt (Land Fluss) - A Radio-Play (2021)

Hannes Seidl / Daniel Kötter: Stadt (Land Fluss) – A Radio-Play (2021)

A Radio-Play, altdeutsch, ein Hörspiel. Wie ein kluger Radioautor in den 60er Jahren bereits bemerkte, ein doppelter Imperativ als Kompositum. Hör‘! plus Spiel‘! Kann sein, dass man sich bewusst für die englische Form entschieden hat, das mehr in den Theaterbereich lugt – und das, obwohl das Theater hier gerade als Performance der Klänge und Worte zusammentrifft. Spielen wir also das Spiel? Davon zuerst das Spiel: Stadt Land Fluss. Aber keine Bange, es gibt hier nicht ein eitles Wissensquiz in neuen Klängen. Sondern, basierend auf den Musik-Theaterstücken, die Hannes Seidl mit

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