8. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Skalkottas / Concertos

Skalkottas / Concertos
Skalkottas / Concertos
Noch vor gut drei Jahrzehnten war selbst der Name von Nikos Skalkottas (1904–1949) nur wenigen bekannt; heute gilt er als der bedeutendste griechische Komponist seiner Generation und eine der wichtigsten Stimmen seines Landes im 20. Jahrhundert überhaupt. Dass zu seinen Lebzeiten kaum Werke von ihm veröffentlicht wurden, er selbst gleichsam im Schatten der Musikgeschichte blieb, ist auch der Drangsal jener Zeit geschuldet: Mehr als zehn Jahre verbrachte Skalkottas teilweise in prekären Verhältnissen in Berlin, war dort Schüler von Kurt Weill und Philipp Jarnach und wurde in die Meisterklasse von Arnold Schönberg aufgenommen. 1933 kehrte er nur auf beharrliches Zureden nach Griechenland zurück und nahm (übrigens als solistisch hervorragend ausgebildeter Geiger) eine Anstellung im Orchester an. Vieles von dem, was in Berlin verblieb (man sagt, Skalkottas plante zeitlebens eine Rückkehr dorthin), ist verloren gegangen, spätere Werke blieben lange Zeit in der Schublade. Dies gilt übrigens weniger für seine Griechischen Tänze, mit denen sich Skalkottas aus einer schöpferischen Depression herausschrieb, sondern vor allem für die großformatigen Werke, besonders der späten 30er und 40er Jahre.

An der Musik von Skalkottas fasziniert vor allem sein ganz eigener, unverkennbarer Stil, der die Abstraktion der Dodekaphonie im Tonsatz melodisch und harmonisch bindet – und zwar durch eine ganz eigene strukturelle Ausformung des Reihenmaterials, die auch subkutane Bezugspunkte mitdenkt. Und so fühlt man sich eher an Alban Berg als an Arnold Schönberg erinnert. Zugleich ist in der Gestaltung der solistischen Violinpartien, die durchgehend fließen und gänzlich idiomatisch angelegt sind, sofort der «Musiker» Skalkottas zu spüren: Berg musste sich noch von dem Geiger Louis Krasner anregen lassen, Skalkottas hatte die die Musik quais selbst in der Hand. Vor allem führt er seine Linien mit kalkulierter Dramaturgie aus, macht gleichsam musikalische «Strecke», ohne ins Leere zu laufen oder sich zu überanstrengen. Das verleiht dem knapp halbstündigen Violinkonzert (1937/38) eine imponierende Zugkraft, das Blasorchester im Doppelkonzert (1939/40) dem Ganzen höchst interessante Farben – mehr, als man dies aus den Konzerten von Weill oder Schulhoff kennt (die aber auch explizit fürs Radio schrieben). Die Interpretationen sind vollständig ausgehört und lassen die Partituren als das erscheinen, was sie sind: große, sehr eigene und eigenständige Musik.

Nikos Skalkottas. Concerto für Violine und Orchester A/K 22 (1937/38); Concerto für Violine, Viola und Blasorchester A/K 25 (?1939/40)
George Zacharias (Violine), Alexandros Koustas (Viola), London Philharmonic Orchestra, Martyn Brabbins

BIS-2554 (2020, 2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #093 – Griechenland