21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Vivaldi / Giordano Antonelli

Vivaldi / Giordano Antonelli
Vivaldi / Giordano Antonelli
Es gab eine Phase der historisch informierten Aufführungspraxis, in der einige Ensembles und Orchester viele Werke als quasi paradigmatisch, ja entzeitlicht präsentierten, für mich eine ideale Sichtweise auf diese Partituren. Das hat sich im 21. Jahrhundert verändert. Waren es damals nur wenige Namen, die für eine auffällig eigenwillige und dennoch fundiert durchdachte Interpretation standen, so hat sich heute eher das Blatt gewendet – fast möchte ich sagen, dass es per se um Originalität und Auffälligkeit geht. In diese Richtung geht auch das Album mit Giordano Antonelli und der Musica Antiqua Latina (die dennoch im Booklet ganz ohne Künstlerbiographie bleibt).

Davon abgesehen ist es ein eher halbfetter, jedenfalls kein schlanker Ton, mit dem hier sechs Concerti und zwei Sinfonie eingespielt wurden, und dies in einer wirklich reizvollen Kombination aus bekannten und weniger bekannten Kompositionen. Hörbar ist das im Doppelkonzert für zwei Violoncelli RV 531, das mit einem stark pointierten, von Akzenten geprägten, manchmal gar ruppigen Gestus interpretiert wird. Zugleich ergänzen sich die beiden Instrumente kaum, sondern werden von Giordano Antonelli und Adriano Ancarani geradezu gegeneinander geführt. Unterstützt wird dies durch eine die Solisten durchwegs sehr präsent in den Vordergrund rückende Aufnahmetechnik, so dass mitunter (cum grano salis) das musikalische Mitgehen des Atems präsenter wirkt als der Ton des Instruments selbst. Seltsam muten einige Formulierungen im Booklet an. Da wäre etwa die Sinfonia RV 125, die «fast unveröffentlicht blieb», oder die Sinfonie RV 168, deren Quellen falsch oder unnötig geheimnisvoll verschleiert werden: «in einem schwedischen Archiv» (gemeint ist Musik- och teaterbiblioteket, Stockholm) und «im Dresdner Archiv» (gemeint ist in diesem Fall die SLUB, die allerdings auf ihren Seiten nur auf ein Digitalisat der Universität Lund verweist). Mir machen solche redaktionell offenbar gänzlich unausgeräumte Ungenauigkeiten (oder auch: Schlampereien) schon bei nur wenigen Quellen große Sorgen, zumal das gedruckte Werkverzeichnis (Wiesbaden 2007) eindeutig ist.

Antonio Vivaldi. Concerto für Violoncello d-Moll RV 405; Sinfonia für Streicher D-Dur RV 125 (Anh. 156); Concerto für Violoncello G-Dur RV 413; Concerto für Mandoline und Streicher RV 425; Concerto für zwei Violoncelli g-Moll RV 531; Concerto für Flöte, Violine, Fagott und Basso continuo d-Moll RV 96; Concerto für zwei Violinen g-Moll RV 517; Sinfonia für Streicher h-Moll RV 168
Musica Antiqua Latina, Giordano Antonelli (Violoncello, Leitung)

deutsche harmonia mundi 19439846222 (2020)

HörBar<< Concertos / Ensemble DiderotVenturini / la festa musicale >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #069 – Concerti