Um es gleich zu sagen: Diese Live-Einspielung (ein Konzertmitschnitt offenbar ohne jede Nachproduktion) klingt besser als so manche zusammengeschnittene Studioaufnahme. Es muss die Unmittelbarkeit des Moments sein, das Wissen, nichts ausbessern zu können und trotzdem das musikalische «Risiko» einzugehen, das diese und vergleichbare Produktionen aus dem Vielerlei der Neuveröffentlichungen hervortreten lässt. Ja, es gibt einige Passagen, die ein Beckmesser sich noch souveräner, noch perfekter vorstellen kann – zumal wenn ein Ensemble wie La Sfera Armoniosa so kenntnisreich und gut aufeinander eingespielt agiert. Nun bin ich nicht Beckmesser; ich freue mich über solche wirklich unmittelbaren Einspielungen, bei denen sich niemand zurücklehnen kann, sich möglicherweise schon auf den nächsten Durchlauf konzentriert, ohne den alten wirklich gut abgeschlossen zu haben.
Und Hellendaal? Keine Sorge, wer den Namen des Komponisten bisher nicht auf dem Schirm oder Schirmchen hatte. Denn Pieter Hellendaal (1721–1799) gehört zu jenen Meistern, die mit wirklich guten Werken an eine erfolgreiche Tradition anknüpften, rasch wieder verstummten und vergessen wurden. Sein Opus 3 wurde 1758 gedruckt (als Nachhall der großen Zeit des Concerto grosso), er selbst wurde nach einem längeren Aufenthalt in London im Jahre 1762 zum Organisten der Pembroke Hall Chapel in Cambridge ernannt. Mozart überlebte Hellendaal um sagenhafte acht Jahre… Mit seinen nicht bloß soliden, sondern sehr gut gearbeiteten Concerti grossi knüpfte Hellendaal sehr spät an den Corelli-Hype in England an und schuf ein Opus, das sich wirklich hören lassen kann. Die Sfera Armoniosa unter Mike Fentross interpretiert jedenfalls die sechs Concerti als große Musik – und adelt damit diese späte Sammlung. Und das Ensemble empfiehlt sich als geschmackvoll und bestens informierte Formation. Bitte mehr davon!
Pieter Hellendaal. Concerti grossi op. 3
La Sfera Armoniosa, Mike Fentross
Challenge Classics CC 72911 (2021)