Gidon Kremer und mit ihm das Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Daniele Gatti nehmen etwa das Allegro molto des Kopfsatzes keineswegs «sehr schnell» im Sinne eines Tempos, sondern eher als Beschreibung von Ausdruck und Bewegungscharakter als «sehr munter». Überhastet wird hier nichts, und es wird damit auch wirklich nichts verloren. Im Gegenteil: das markante Hauptthema mit der dunklen Farbe der G-Saite gewinnt an Kontur, seine Gestalt wird greifbar – und man kann am Ende des Finales wirklich den zyklisch gestalteten Bogen nachvollziehen, ebenso die nun im letzten Augenblick vollzogene Dur-Aufhellung. Abgesehen vom angenehm kompakt eingefangenen Klang der Leipziger kann Kremer auch im Alter von 70+ weiterhin mit Kraft und Subtilität auftrumpfen – ganz so, als seien die vier Sätze des Werks erst für ihn und seinen sehnigen Ton geschrieben worden. – Mehr als nur eine kammermusikalische Zugabe stellt die Studioaufnahme der Sonate für zwei Violinen op. 69 dar. Gidon Kremer und Madara Pētersone (Konzertmeisterin der Kremerata Baltica) entfalten ihre Linien kongenial und in unverkennbarer Weise.
Mieczysław Weinberg. Violinkonzert op. 67 (1959), Sonate für zwei Violinen op. 69 (1959)
Gidon Kremer (Violine), Madara Pētersone (Violine), Gewandhausorchester Leipzig, Daniele Gatti
accentus ACC 30518 (2019/20)