Vor 100 Jahren ist Gabriel Fauré verstorben – und bis auf wenige Sätze und Werke (darunter das vielfach aufgeführte Requiem) ist er im deutschsprachigen Raum ein weitgehend unbekannter Komponist geblieben. Doch auch die Centenarfeier ist auf dem Tonträgermarkt recht bescheiden ausgefallen. Große Boxen sucht man vergeblich, dafür aber finden sich wundervolle Kleinode – kompositorisch wie interpretatorisch.
An erster Stelle steht für mich diese inzwischen auch schon wieder vom Markt verschwundene (Wieder-)Veröffentlichung von zuvor drei einzelnen Alben mit sämtlichen Liedern oder Mélodies, wie man korrekt sagen sollte. Die Einspielung ist ohne jede Übertreibung sensationell: nicht aufgrund der Vollständigkeit, sondern dank der Umsetzung durch Cyrille Dubois, der die Lieder vom Text her denkt und deutet. Sein helles Timbre, die herausragende Sprachverständlichkeit und ein nicht allzu subjektiv emotionalisierter Vortrag sind oft nur einen Schritt vom Sprechgesang entfernt. Diktion und Phrasierung liegen offen, und genau das macht diese Gesänge so hinreißend. Der verwendete Steinway-Flügel klingt zwar eher kühl-zeichnend, ist allerdings in der Höhe angenehm intoniert, vor allem wird er von Tristan Raës zurückhaltend gespielt – eine wundervolle Art der Liedbegleitung. Alles in allem: Herausragend.
Gabriel Fauré. Complete Songs
Cyrille Dubois (Tenor), Tristan Raës (Klavier)
Aparté AP 284 (2020/21)
- Fauré / Cyrille Dubois
- Fauré / Aline Piboule
- Fauré / Renaud Capuçon
- Fauré / Marc Coppey
- Fauré / «intégrale»