5. April 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Richardson: Afrofuturism

Richardson: Afrofuturism

Bescheidenheit sieht anders aus: „Frank Zappa, Queen, Brian Wilson and Radiohead meets Schoenberg in a sci-fi 80s lounge“. So, so! Man könnte auch sagen, warum nicht mal einen musikalischen Thermomix experimentell nutzen, statt mit vorgeschriebenen Rezepten und warum die Zutaten eigentlich abmessen. Alles geht, alles muss rein. Nachher klingt es halt, wie es schmeckt. Dieser Mut wird leider ästhetisch nicht belohnt, sondern bleibt auch musikalisch reine Matschepampe. Mit dem Hype-Wording „Afrofuturism“ springt man zwar auf den Zug einer Jazzmodischkeit auf, aber am Ende klingt es hier doch wie nur schlechtbezahlte

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Istanbul 1900

Cavus & Dirks: Istanbul 1900

Neun Miniaturen zu einem Bildnis der Metropole Istanbul verdichten die beiden Gitarristen auf einer so sanfte und zarte Weise, dass man in diese Musik einschlüpfen kann, wie in eine Erzählung. Die beiden Musiker sind hier Geschichtenerzähler, die wie eine Person agieren, die eben nur mit vielen Ohren hört und mit vielen Augen sieht und mit größter Vorsicht ihre Geheimnisse preisgibt, wenn auch nicht eben alle. Die neun „Bilder“ haben ein bisschen den Klang des Orients in sich aufgehoben, wie Istanbul hier besonders durch seine Geschichte als einer Vergangenheit um 1900

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BLK2LIFE – A Future Past

BLK2LIFE – A Future Past

Eine Platte mit großem Anspruch, will man doch die Substanz afro-amerikanischer Musik- und Jazzgeschichte im Rahmen des Weltgeflechts zum Ausdruck bringen. Jazz, Funk, Politics im Gewand der kommerziellen musikindustriellen Verwertung. Wie geht das? Der amerikanische Trompeter und Bandleader Theo Crocker hat sich zu diesem Zweck zahlreiche Gäste geladen wie Ari Lennox, Charlotte Dos Santos, Malaya oder Gary Bartz und Wyclef Jean. In der „Produktbeschreibung“ wird hypostasiert: „BLK2LIFE || A FUTURE PAST feiert (…) nicht nur die afrikanische Herkunft, sondern ist letztlich eine Wiederaneignung dieser Kultur durch Kultur.“ In Zeiten, wo

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York: Souljazz Experience Vol. 1

York: Souljazz Experience Vol. 1

Später Ableger der ganzen Jazz-Pop-Wellen seit den 70er-Jahren. Soll und kann uns nur recht sein. Wenn die Musiker:innen und die Faktur des Ganzen in sich stimmig ist und der Wipp- und Wuppfaktor unvermeidliche Höhenflüge annimmt. Selbstbeschreibung passt: “The album also features a number of top-class guest musicians, making The Soul Jazz Experience Vol. 1. a truly feel-good experience.” Dabei muss das Ergebnis ja nicht zwingend in flachem und unwiderstehlichem Mitgesummse bestehen. Einzelne Tracks zeigen nicht nur eine grandiose Art des Kunst des Arrangierens und musikalischen Ausagierens, sondern eine Tiefe, die

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Kevin Brady Electric Quartet: Plan B

Kevin Brady Electric Quartet: Plan B

Wer einen Plan B hat, hatte auch einen Plan A. Plan A des Kevin Brady Electric Quartets kennen wir nicht, er liegt nicht vor. Track „Plan B“ allerdings ist ein müdes Stück Musik, dass man nur hoffen kann, Plan C funktioniert mal besser. Nein, man wird nicht so recht froh mit dieser Platte, die doch nach eigenem Bekunden so Großes will: “Brady’s ambition was to record an album that consisted of new, original compositions that explore improvisation in an electric quartet format. While tipping their collective hat to the music

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Kupke/Zerbe: Monalisa

Kupke/Zerbe: Monalisa

Eine kleine Serenade von Pretiosen musikalischer Improvisationen. Klarinette und Klavier teilen hier nicht nur die beiden ersten Buchstaben, sondern ihr Faible den unsingbaren Rest. Ein spätes Produkt aus dem Gewächshaus der Ehrerbietung an Hanns Eisler. Hier aber nicht in den vier Fäusten für jenen mit der Wildheit, wie sie Heiner Goebbels und Alfred Harth in direkter Konfrontation ausgebildet haben. Sondern wie durch mehrere Schleier gefiltert in der Tradition des Klavierliedes – nur eben statt mit Stimme mit Klarinette. Kein Wunder also, dass in der „Mahlerei“ auch dessen Liebsubstanz zum Schwingen

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Rifflet – Troubadours

Rifflet – Troubadours

Eine Musik, die einen mitnimmt wie eine Welle oder wie eine Art Treibsand. Nur völlig gefahrlos. Die Kompositionen von Rifflet sind eigentlich im Kern sehr leicht durchschaubar. Auf einem Rhythmus-Bett breitet sich ein melodisches Phrasengeflecht aus. In dieses kann man sich hineinbegeben und sich zurücklehnen. Eine musikalische Karawanenreise ist das am Ende mit so vorzüglicher Klanggestaltung, meditative Musik, tranceartig gewoben. Immer dabei eine gewissen Trauerartigkeit wie beim Marsch (Sordello – Track 1 oder Beatrice – Track 4). Das geht alles ganz ruhig vonstatten, gemurmelt dann auch wieder mal. Mediterranes Flair.

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Henkelhausen Quintet: Misantropic Tendencies

Henkelhausen Quintet: Misantropic Tendencies

Am Anfang tut man sich etwas schwer mit dieser Platte. Sie ging beim ersten Vorhören erst einmal an ihren Platz in Wartestellung. Vielleicht … Vielleicht geht es einem im zweiten Durchgang ja besser. Und, oh Wunder, ja. Was für eine klassisch freie Musik mit Duftnoten aus Rauch und Zimt (Track: Tom Has a Big Brain“). Kräftige Würzung mit feinen Noten. Brodelnde Mengen von Klang und Rhythmus mit subtilster, akrobatisch gefädelter Statik, stabil. Eine fortwährende Gefahr solcher „kluger“ Musik: sie verkapselt sich manchmal zu sehr in sich selbst, so dass sie

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Woody Black 4: The Lost Tapes

Woody Black 4: The Lost Tapes

Mit vier Klarinetten unterwegs durch die Weiten der Welt. Was für ein Hörspaß, was für ein Hörvergnügen. Diese Leichtigkeit der Klänge, die in dieser Weise kein Instrument erreichen kann wie die Klarinette, deren Modulation im Atmen und Phrasieren einfach jedes Material sich unterwerfen kann. Es biegen sich unter der Last des Schwebens alle Komplexitäten zu Sinnespunkten, die sich im Fokus finden und in alle Richtungen zerstäuben können. Mit vier Klarinetten, drei davon im Bassregister, drehste den Stöpsel der musikalischen Ästhetik aus dem verstopftesten Abflussrohr der Musikgeschichte. All das regeln die

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Silent Explosion Orchestra – Portraits of New York City

Silent Explosion Orchestra – Portraits of New York City

Was für ein Name für eine Big Band: Silent Explosion Orchestra. Dabei handelt es sich um ein deutsches Gewächshausorchestra, das „einige der talentiertesten jungen Jazzmusiker von Saarbrücken über Mannheim und Mainz bis nach Köln“ vereine, wie man auf der Website der Kapelle lesen kann. Still explodiert hier aber eher nichts. Überhaupt explodiert selten etwas. Man kann ohne mit den Haaren in den Ohren earzubangen sagen: Solide Arrangements, solides Spiel mit den zwingend nie ausbleibenden Brass-Parallel-Phrasen; meistens jedenfalls. Das Ensemble hat sich nicht weniger attraktiv an New York City Portraits probiert.

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Pride / I Hate Work

Pride: I Hate Work

Ich auch. Ich auch. Darum machen wir es kurz: Repunkisierung via Jazz. Das Trio nimmt sich ein Punk-Album von MDC aus dem Jahr 1982 mit dem Titel „Millions of Dead Cops“ vor. Das geht natürlich in die Hose. Muss es auch. Soll es auch. Geht eben gar nicht. Autsch, knirsch, quiiiiitsch. Und irgendwie dann doch, didil-didumm. Man muss nur alles von links auf noch mehr links drehen, durch Jazzidiomatiken quetschen und ordentlich wolfen. Heraus kommt ein eigenartiges Sammelsurium an Pogopostmoderne, was man sich nicht unbedingt zweimal anhören möchte, sondern gar

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mikroPULS

mikroPULS

Die Platte hatte sich in einem Haufen anderer CDs versteckt und kam nun zum Vorschein. Aber lieber spät als nie. Und man kann es auch sogar ganz kurz machen. Nöligkeit kann so erfrischend klingen, wenn man sie nur wirklich zulässt. Jedenfalls erzeugt der Einsatz von Mikrotonalität hier gerne diesen Sprung im Downgrade von Ekstase. Da wird schon mal eine Tonleiter abwärts zum Ereignis wie in „Head Quarter“ und zur Herausforderung ans Ohr. Was ist es? Mikrotonale Verschiebungen sind wir sehr gewohnt zu hören in der direkten Abweichung. Die alten nach

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