4. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Bach-Kantaten: Collegium Vocale Gent / Herreweghe

Collegium Vocale Gent / Philippe Herreweghe
Collegium Vocale Gent / Philippe Herreweghe

Knapp 200 geistliche Kantaten von Johann Sebastian Bach haben sich erhalten, weitere dürfen als verschollen gelten. Obwohl auch andere Kantoren und Kapellmeister in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dieser Produktion in nichts nachstehen (zu erinnern ist etwa an Gottfried Heinrich Stölzel), so sind doch Bachs Partituren in ihrer Art der Textausdeutung, Harmonik und satztechnischen Durchdringung einzigartig. Zwar haben viele „Wiederentdeckungen“ seit Jahren den Blick auf die Zeit und das Repertoire bereichert, und doch sind es vor allem die Werke des Leipziger Thomaskantors, die in beständiger Regelmäßigkeit aufgeführt und eingespielt werden; in enzyklopädischen Gesamtaufnahmen (als long term project) oder auch einzeln in kleineren Produktionen.

So auch in diesem Fall – wobei offen bleiben muss, welche liturgischen, musikalischen oder auch dramaturgischen Überlegungen die Auswahl bestimmten. Selbst Michael Maul behilft sich in seinem kurzen Booklet-Essay mit einem aus der Mode gekommenen Wort: «Querschnitt» steht da schon im ersten Absatz. Interpretatorisch überzeugt die Einspielung in nahezu allen Aspekten. Selbst die vier Solist:innen (unter ihnen Dorothee Mields und Peter Kooij) gliedern sich in den «Chor» als Ensemble von 12 Stimmen ein. Erzielt wird in dieser Besetzungsgröße eine wunderbare Klarheit und Beweglichkeit, die Philippe Herreweghe im Eingangschor zu BWV 99 oder auch in der Arie «Hilf, Jesu, hilf» (BWV 147/7) zu einem straffen, fast gehetzten Tempo verleitet, während in BWV 147 der in anderen neueren Aufnahmen oft überzogene Choral «Jesus bleibet meine Freude» in seinem Klangband herrlich dahinströmt. Das Klangbild ist kammermusikalisch direkt und durchsichtig, entbehrt aber nicht einer angenehmen Räumlichkeit.


Johann Sebastian Bach.

«Was Gott tut, das ist wohlgetan» BWV 99; «Bleib bei uns, denn es will Abend werden» BWV 6; «Herz und Mund und Tat und Leben» BWV 147

Dorothee Mields (Sopran), Alex Potter (Alt), Guy Cutting (Tenor), Peter Kooij (Bass), Collegium Vocale Gent, Philippe Herreweghe

Phi LPH 041 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #136 – Bach. Kantaten