4. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Bach-Kantaten: Gaechinger Cantorey / Rademann

Das Neue Orchester / Christoph Spering
Das Neue Orchester / Christoph Spering
Bachs Kantaten in chronologischer Reihenfolge. Das ist eine durchaus plausible Idee, zumal wenn man mit genau der Komposition beginnt, die am 30. Mai 1723 in Leipzig zum ersten Mal erklang und damit den ersten Kantatenjahrgang eröffnete. Die von der renommierten Internationalen Bachakademie Stuttgart unter dem Motto «Vision.Bach» in dieser Weise initiierte Reihe schreitet zügig voran. Mit dem hier besprochenen dritten Doppelalbum wird der Zeitraum zwischen dem 25. Juli und dem 30. August 1723 abgedeckt – insgesamt sieben Sonntage (nach Trinitatis) und eine Ratswahl. In dieser dichten Abfolge nötigt jeder Takt höchsten Respekt ab, auch wenn Bach hier und da offensichtlich bereits vorhandenes Material recycelt hat, wie in der Ratswahlkantate BWV 119.

Was aber ist an diesen Einspielungen – pars pro toto wie in jedem einzelnen Werk – eine Vision, wie sie im Motto versprochen wird? Die Antwort fällt schwer. Zwar verspricht die kleine chorische Besetzung mit jeweils drei bis vier Sänger:innen je Stimme mehr Beweglichkeit. Diese geht jedoch sowohl in der Ludwigsburger Schlosskirche als auch im Münster zu Heilsbronn und in der Herrenberger Stiftskirche in der sehr weiträumig eingefangenen Akustik verloren, so dass teilweise gar die Textverständlichkeit leidet. Interpretatorische Akzente, Feinheiten der Faktur und des Satzes und der Insrumentation verlieren sich in der gewählten Mikrophonierung so sehr, dass die Aufnahme am Ende eher pauschal wirkt. Eine Vision, zumal nach den immer noch vermarkteten alten Aufnahmen mit Helmuth Rilling, sollte anders klingen, zumal sich die hauseigene Gaechinger Cantorey inzwischen als Ensemble von Spezialisten präsentiert.

Johann Sebastian Bach. The First Cantata Year Vol. 3
«Herr, gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht» BWV 105; «Schauet doch und sehet, ob irgendein Schmerz sei» BWV 46; «Siehe zu, dass deine Gottesfurcht nicht Heuchelei sei» BWV 179; «Mein Herze schwimmt in Blut» BWV 199.3; «Lobe den Herrn, meine Seele» BWV 69.1; «Du sollst Gott, deinen Herren, lieben» BWV 77; «Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe» BWV 25; «Preise, Jerusalem, den Herrn» BWV 119
Miriam Feuersinger (Sopran), Isabel Schicketanz (Sopran), Elvira Bill (Alt), Marie Henriette Reinhold (Alt), Benedikt Kristjansson (Tenor), Daniel Johannsen (Tenor), Patrick Grahl (Tenor), Matthias Winckhler (Bass), Peter Harvey (Bass), Tobias Berndt (Bass), Gaechinger Cantorey, Hans-Christoph Rademann

hänssler classic HC 23027 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #136 – Bach. Kantaten