8. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Modern Times Edition

Modern Times Edition
Modern Times Edition

Mit schöner Regelmäßigkeit erschienen in den letzten Jahren bereits zahlreiche Folgen der «Modern Times» – einer Serie, bei der jede CD einem Komponisten des 20. Jahrhunderts gewidmet ist und dabei auch sinfonische Werke präsentiert, die vielfach nicht in der ersten Reihe der großen Namen stehen. Zusammen mit einer Paul Hindemith gewidmeten Veröffentlichung hat das Label Capriccio nun eine zehn CDs umfassende Edition herausgebracht. Die Zusammenstellung liest sich imersten Moment ein wenig bunt: Zimmermann, Dallapiccola, Dutilleux, Ginastera, Szymanowski, Antheil, Vaughan Williams, Kabalevsky, Krenek und eben Hindemith. Andererseits ist es gerade die chronologische, geographische und stilistische Vielfalt, die immer wieder Überraschungen bereit hält. So sind die Möglichkeiten zur Fortsetzung noch lange nicht ausgeschöpft.

Zudem ist zu bedenken, dass dieses diskographische Aushängeschild der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Karl-Heinz Steffens schon lange und programmatisch auf hohem Niveau im linksrheinischen Konzertleben der Metropolregion fest etabliert ist. Und so stammen auch alle Aufnahmen aus der Philharmonie. Sie zeichnen sich akustisch durch ein eher räumliches als analytisches Konzept aus, das den Klangkörper breit statt plastisch abbildet. Für meinen Geschmack verunklart das allerdings die vielfach dicht gewobenen und auf Differenzierung angelegten Partituren. In eher ruhigen Abschnitten mag das noch greifen, in Passagen, in denen das Orchester mit den Muskeln zu spielen hat, kommt es dann jedoch vielfach zu Spitzen oder Verdickungen. Gut zu beobachten ist dies in der Passacaglia aus Dallapiccolas Partita, mehr aber noch in den opulenten Drei Gesängen für Sopran und Orchester op. 9 – einem immer wieder verblüffenden hochromantischen, den «Aufbruch der Jugend» greifbar machenden Werk des frühen Hindemith. Von der manipulativ mitreißenden Kraft dieser groß angelegten Partitur ist hier nur wenig zu spüren, zudem wird die hochdramatische Gesangspartie (hier mit Valda Wilson) so in das Orchester gestellt, dass nur wenige Silben der Worte von Else Lasker-Schüler und Ernst Wilhelm Lotz zu ergattern sind. – Dennoch: Diese «Modern Times Edition» sucht ihresgleichen. Wer «Klassische Moderne» entdecken möchte, ist hier gut aufgehoben.


Modern Times Edition. Bernd Alois Zimmermann. Alagoana, Photoptosis, Symphonie in einem Satz, Stille und Umkehr; Luigi Dallapiccola. Partita für Orchester, Due Pezzi für Orchester, Three Questions with Two Answers für Orchester, Variazione für Orchester, Piccola Musica Notturna; Henri Dutilleux. Metaboles, Deux Sonnets de Jean Cassou für Bariton & Orchester, Symphonie Nr. 1; Alberto Ginastera. Obertura para el Fausto Criollo op. 9; Ollantay, Variaciones Concertantes op. 23, Bomarzo-Suite op. 34; Karol Szymanowski. Konzert-Ouvertüre op. 12, Sinfonia Concertante op. 60, Slopiewnie op. 46b; Nocturne & Tarantella op. 28; George Antheil. A Jazz Symphony, Capital of the World-Suite, Klavierkonzert Nr. 1, Archipelago «Rhumba»; Ralph Vaughan Williams. The Poisoned Kiss, In the Fen Country, Fantasia on Sussex Folk Tunes für Violoncello und Orchester, Three Portraits from «The England of Elizabeth»; Dimitri Kabalewsky. Overture Pathétique op. 64; Rhapsodie für Klavier & Orchester op. 75, Violinkonzert op. 48, Vesna op. 65, Colas Breugnon-Suite op. 24; Ernst Krenek. Potpourri op. 54; Sieben Orchesterstücke op. 31; Tricks and Trifles op. 101, Symphonie op. 137 «Pallas Athene»; Paul Hindemith. Ouvertüre zu Neues vom Tage, Drei Gesänge für Sopran und Orchester op. 9, Philharmonisches Konzert, Tanzsuite aus «Nusch-Nuschi» op. 20; DVD: Making of; Interviews

Marisol Montalvo, Arantza Ezenarro, Maria Isabel Segarra, Valda Wilson (Sopran), Paul Armin Edelmann (Bariton), Yury Revich (Violine), Martin Rummel (Violoncello), Ewa Kupiec, Frank Dupree, Magda Amara (Klavier), Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz Steffens

Capriccio C 7337 (2013– 2018)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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