21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Polyphonia Ensemble Berlin

Polyphonia Ensemble Berlin
Polyphonia Ensemble Berlin
Drei Werke aus drei Komponistengenerationen – und doch entstanden die Partituren innerhalb eines einzigen Jahrzehnts. Mehr aber noch handelt es sich in jedem einzelnen Fall um eine Rarität: im Repertoire, im Konzertsaal, auf CD. Das sich unkompliziert nach allen Seiten hin für seltene Besetzungen erweiternde Polyphonia Ensemble Berlin (es besteht aus Mitgliedern des Deutschen Symphonie-Orchesters) macht auf diesem Album seinem Namen und seiner Flexibilität alle Ehre. Musikalisch geht der Blick zurück ins Paris der Zeit um 1900 – großformatig mit dem Dixtuor von Théodore Dubois (1837–1924), tänzerisch mit zwei Sätzen von Vincent d’Indy und höchst originell mit der Suite persane von André Caplet.

Tatsächlich ließe sich aber trefflich darüber diskutieren, ob Dubois’ Dixtuor wirklich noch der Kammermusik zuzurechnen ist. So drängt die solistische Besetzung nach Thematik, Ausarbeitung und Faktur unüberhörbar ins Sinfonische, dennoch lassen sich die Streicher kaum in chorischer Besetzung denken. Dass die vorliegende Interpretation über diese Zwitterhaftigkeit nicht hinwegspielt, sondern sie bewusst akzentuiert, ist ein herausragender Pluspunkt des Albums; und er macht das Werk in vielfacher Hinsicht interessant. Die beiden Stücke von d’Indy und Caplet sind nicht zu denken ohne die Société de musique de chambre pour instruments à vent (1879 gegründet) und die Société moderne d’instruments à vent (1895 gegründet). Ohnehin gilt: Was wäre die Musik für Holzbläser im 19. und 20. Jahrhundert ohne das französische Engagement? Die Suite persane von Caplet, ein früher interkultureller (oder doch bloß kolonialer?) Geniestreich, verknüpft ferne Heterophonie mit exotischer Harmonik. Dass die Sätze am Ende eher an spätere Klänge aus so mancher Filmfabrik erinnern als etwa an Gustav Holsts legendäre Beni Mora-Suite, ist freilich dem Komponisten als Kind seiner Zeit kaum ernsthaft anzulasten. – Ein wundervoll inspirierendes Album, das man gern gleich mehrfach hört.

Theodore Dubois. Dixtuor (1909); Vincent d’Indy. Chanson et Danse op. 50 (1898); André Caplet: Suite persane (1900)
Polyphonia Ensemble Berlin

Oehms OC 493 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #065 – gemischtes Ensemble