
Dass Max Bruch mehr als nur ein Violinkonzert geschrieben hat, dürfte weithin bekannt sein (zumal auf eine „Nr. 1“ auch noch etwas folgen muss). Dass er aber auch im Bereich der Oper schöpferisch tätig war, wird fraglos überraschen. Denn wie mag wohl eine deutsche romantische Oper klingen, die sich auf allen Ebenen entschieden von Wagner distanziert, zumal wenn mit der Loreley ein großer deutscher Mythos aufgerufen wird? Um es vorweg zu nehmen: Die vier Akte umfassende Partitur mit einer Spielzeit von zweieinhalb Stunden lohnt – in diesem durchwegs vortrefflichen Live-Mitschnitt aus dem Münchner Prinzregententheater, doch auch mit Blick auf die Musik, die Bruch im Alter von 25 Jahren hochmotiviert und doch zunächst ohne Freigabe des Librettos (Emanuel Geibel) geschaffen hat.
Wer sich mit Blick auf das Uraufführungsjahr 1863 von neudeutscher Chromatik und Leitmotivik frei macht, wird ein inspiriertes Werk kennenlernen, das weniger die durchgehende szenische Aktion verlangt, sondern vielfach kontemplative Momente aufweist und mitunter durch den Chorsatz (etwa im Finale des 3. Akts) und die gelegentlich verlangte Orgel gar oratorisch wirkt. So entwickelt sich das Szenarium eher in weiten Bögen – und kommt damit auch dem deutlich an Mendelssohn anknüpfenden Tonfall entgegen, der nicht den schnellen Effekt sucht, auch weil die Instrumentation kompakter scheint. Dies alles macht Bruchs Loreley zu einer Entdeckung, zumal die von Stefan Blunier geleitete Produktion musikalisch restlos überzeugt: von der Leistung des Orchesters wie des vielfach geforderten Chors bis hin zum Ensemble der Solist:innen. Hier begeistert vor allem Michaela Kaune (Lenore) in den volksliedhaft-einfachen Passagen, mehr aber noch gibt Thomas Mohr (Pfalzgraf Otto) mit seinem unangestrengt strahlenden Heldentenor dem Werk auf herausragende Weise ungeahnte Lebendigkeit und Gestalt.
Max Bruch: Loreley (1863)
Michaela Kaune (Sopran), Magdalena Hinterdobler (Sopran), Danae Kontora (Sopran), Thomas Mohr (Tenor), Benedikt Eder (Bariton), Jan-Hendrik Rootering (Bassbariton), Thomas Hamberger (Bassbariton), Sebastian Campione (Bass), Prager Philharmonischer Chor, Münchner Rundfunkorchester, Stefan Bluniercpo 777 005-2 (2014)
- Carl Maria von Weber: Euryanthe (Trinks, ORF Radio-Symphonieorchester Wien)
- Franz Schubert: Sakontala (Kammerphilharmonie Bremen, Frieder Bernius)
- Giuseppe Verdi: Ernani (Cappella Aquileia, Marcus Bosch)
- Max Bruch: Loreley (Münchner Rundfunkorchester, Stefan Blunier)
- Camille Saint-Saëns: Le Timbre d’argent (Les Siècles, Francois-Xavier Roth)