28. März 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Carl Maria von Weber: Euryanthe (Trinks, ORF Radio-Symphonieorchester Wien)

Carl Maria von Weber: Euryanthe (Constantin Trinks)
Carl Maria von Weber: Euryanthe (Constantin Trinks)

Der vom „Freischütz“ geworfene Schatten ist lang – und er reicht bis heute. Umso erfreulicher ist das Engagement des Theaters an der Wien für Carl Maria von Webers „weitere“ Partituren. Dennoch überrascht das hörbar unterschiedliche Niveau der beiden bisher auf CD vorliegenden Live-Mitschnitte: Auf der einen Seite ein unglücklich besetzter, musikalisch seltsam behäbiger „Peter Schmoll“, wie man ihn wohl auch in den 1970er Jahren hätte hören können; sein originaler Spielwitz ist somit noch immer zu entdecken. Auf der anderen Seite nun eine „Euryanthe“, bei der man kaum glaubt, dasselbe Orchester zu hören. Man muss sich freilich zunächst von den ausgiebig bedienten und verstärkten Topoi um Kuno, Max und Kaspar freimachen, um die „Euryanthe“ mit ihrem ganz eigenen Wert wahrzunehmen.

Dunkler deutscher Wald, geheimnisvolle Gegenwelt, Volksfest und Jägerkult stehen geradezu idealtypisch für eine Zeit, die solche Bilder bewusst suchte und beförderte – die „Euryanthe“ hingegen spielt in adeligen Zirkeln, kreist bieder um eine Intrige aus Treue und Verrat, bedient eher verhalten psychologische Aspekte. Und so findet man hier von Webers Klangwelt eine ganz andere Ebene – kaum griffig zum Gassenhauer geeignet, dafür aber vertieft und vor allem unverkennbar. Den einmaligen dramatischen Sog von Friedrich Kinds Freischütz-Libretto konnte Hermina von Chézy nicht aufnehmen, stattdessen schrieb sie (trotz Webers Rettungsversuchen) ein zwar groß angelegtes, doch nicht sonderlich aufregendes Libretto. Die damit einhergehende Problematik verdeckt bis heute die hinreißende Qualität der komponierten Musik, die weit in die Zukunft weist. – Davon lässt die Einspielung vieles spüren, ohne allerdings gänzlich überzeugen zu können. Dem gut disponierten Ensemble ist darüber kein Vorwurf zu machen, vor allem Jacquelyn Wagner vermag in ihrer Titelrolle zu beeindrucken. Als problematisch erweist sich allerdings die Klangregie des Live-Mitschnitts, die das Orchester akustisch matt wiedergibt statt seine Klangfarben zu entfalten und die Sänger:innen je nach Position auf der Bühne mehr oder weniger präsent erscheinen lässt. So dokumentiert dieser Mitschnitt eher die Inszenierung als die musikalische Substanz. Wer aber kann sich heute noch den Luxus einer ausgewogenen Studio-Produktion leisten, zumal eines Werkes, das viel zu selten auf den Spielplänen steht?


Carl Maria von Weber: Euryanthe (1823)
Stefan Cerny (Bass), Norman Reinhardt (Tenor), Jacquelyn Wagner (Sopran), Andrew Foster-Williams (Bassbariton), Theresa Kronthaler (Mezzo), Arnold Schoenberg Chor, ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Constantin Trinks

Capriccio C5373 (2018)

 

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