9. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Bruch, Price / Randall Goosby

Bruch, Price / Randall Goosby
Bruch, Price / Randall Goosby
Die optische Parallele auf dem Cover zwischen Bogen und Taktstock täuscht über die Introduktion in Bruchs Violinkonzert hinweg. Denn während der unermüdliche Yannick Nézet-Séguin mit dem Philadelphia Orchestra ein vorwärtsdrängendes Tempo anschlägt, ist es ausgerechnet der junge Randall Goosby, der mit seiner Kadenz sogleich verzögert und die sich zaghaft entwickelnde Frische mit einem allzu traditionellen Ansatz gleichsam im Keim erstickt. In der Folge kommt es dann zu kleineren Ungenauigkeiten in der Koordination. So munter also dieser Bruch beginnt und in manchen Tutti-Passagen auch für sich einzunehmen weiß – es bleibt auch dieses Mal eine Produktion, in der letztlich nur der Solist sekundiert wird, statt mit einer gemeinsamen Strategie die unsäglich abgenudelte, aber im Kern wunderschöne Komposition in neuem Licht erstrahlen zu lassen.

Aber bei dem Bruch’schen Violinkonzert handelte es sich hier sowieso nur um den möglicherweise ökonomisch notwendigen, zumindest so empfundenen Vorspann zum eigentlichen Programm des Albums: den beiden Violinkonzerten von Florence Price (1887–1953). Es ist ein Vorteil der Hörbar, nicht tagesaktuell berichten zu müssen – und so kann man schon jetzt konstatieren, dass die Werke dieser interessanten Komponistin, so rasch sie bei einem der Major-Labels eingespielt wurden (übrigens nicht als Ersteinspielung), schon wieder in Vergessenheit geraten sind. In diesem Live-Mitschnitt jedenfalls scheint Randall Goosbys lyrisch geprägter, wenn nicht gar etwas (zu) süßlicher Ton genau richtig, um die Melodien zum Klingen zu bringen. Freilich: Sieht man einmal von den afroamerikanischen Farben ab, so handelt es sich um reichlich verspätete Werke, an denen 1952 nicht nur die Avantgarde vorbeigegangen ist, sondern auch die Moderne der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein paar originelle harmonische Wendungen, zahlreiche Blue Notes und ein mitunter erstaunlich karger Begleitstimmensatz sind keine Garantie für große Musik. Florence Price scheint vor der tradierten Gattung «Konzert» mehr Respekt gehabt zu haben als vor der Sinfonik, wo sie ihre Stärken deutlicher und viel freier ausspielen konnte. Und so passen die hier versammelten Werke auch dramaturgisch irgendwie zusammen.

Max Bruch. Konzert für Violine und Orchster Nr. 1 g-Moll op. 26; Florence Price. Konzert für Violine und Orchster Nr. 1 D-Dur (1952); Konzert für Violine und Orchster Nr. 2 (1952), Adoration für Orgel (1951) (Arr. für Violine und Orchster)
Randall Goosby (Violine), Philadelphia Orchestra, Yannick Nézet-Séguin

Decca 485 4234 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #131 – Violinkonzerte

Ein Kommentar

  1. Danke für den Vergleich zwischen Max Bruch Violinkonzert No.1, gespielt von Niek Baar und dem, wie es Randall Goosby spielt! Sehr erhellend!

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