28. März 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Haydn / Ivan Ilić

Haydn: Sinfonien / Ivan Ilić

Musik wurde schon immer bearbeitet oder einfach gangbar gemacht. Dies betrifft vor allem die Zeit des sich etablierenden Klein- bis Großbürgertums, das auch selbst in der Guten Stube oder im Salon musizierte; ob aus gesellschaftlicher Verpflichtung heraus oder aus eigenem Interesse. Mit dem Siegeszug des Klaviers wurde es dann einfacher, sich größere Gattungen und Besetzungen «ins Haus» zu holen – in Form von Klavierauszügen (so bekanntlich die einschlägige Bezeichnung bei Opern) oder von Transkriptionen (etwa von Sinfonien, Streichquartetten etc.). Die Intention konnte dabei schwanken zwischen der idealtypischen Abbildung der Partitur

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Benjamin Britten / Peter Grimes

Benjamin Britten / Peter Grimes

«The Opera Company». Machte mit diesem Worten im 20. Jahrhundert eine große Schallplattenfirma von sich reden, ist es nun das ebenfalls in England beheimatete Label Chandos, das für sich dieses Motto beanspruchen könnte. Denn wo Majors von einst keinen Mumm mehr in den Knochen haben, eröffnen sich für andere ganz neue Freiräume. Schon seit einigen Jahren ist klar, dass sich Chandos nicht nur den ewigen Highlights widmet, sondern vor allem jenen Bühnenwerken, die aufregende Akzente setzen. Alles begann vor über 20 Jahren mit der Serie «Opera in English», einer früher

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Juan Sebastian Elkano / Euskal Barrokensemble

Juan Sebastian Elkano / Euskal Barrokensemble

Kurios. Der erste Track mit seinen Hafensignalen erinnert mich ein wenig an eine als Erbstück erhaltene Schallplatte mit einem typischen «Hamburger Hafenkonzert» aus den 1950er Jahren. Dann aber setzen Rezitation und ein baskisches Volkslied ein – und schon ist man mittendrin in der hier musikalisch erzählten Geschichte um Juan Sebastian Elkano, der einst die erste Weltumseglung von Magellan 1522 vollendete. Von den ehemals 242 aufgebrochenen Seeleuten erreichten nur 18 wieder ihren Heimathafen. Elkano (bzw. Elcano, 1486/87–1526, zunächst Bootsmann dann Kapitän jener Exposition) gab aber nur das äußere Stichwort für dieses

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Haydn op. 76 / The London Haydn Quartet

Haydn op. 76 / The London Haydn Quartet

Beethoven und Schubert hatten davon nur eine ungefähre Vorstellung, von Mozart ist nichts überliefert, Haydn aber berichtet selbst Anfang 1790 in einem Brief über seinen Respekt vor dem Meer und der Seekrankheit, als er den Ärmelkanal zwischen Calais und Dover überquerte: «wehrend der ganzen überfahrt bliebe ich oben auf den schif um das ungeheure Thier das Meer satsam zu betrachten, solange es windstill war, förchtete ich mich nicht, zulezt aber, da der immer stärckere wind ausbrach und ich die heranschlagende ungestimme hohe wellen sahe, überfiel mich eine kleine angst, und

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J. B. Chr. Freislich: Kantaten

J. B. Chr. Freislich: Kantaten

Andrzej Szadejko und sein Goldberg Baroque Ensemble sind mit Sicherheit nicht die «Entdecker der Danziger Barockzeit», aber sie können auf zahlreiche Studien aus den letzten Jahrzehnten aufbauen, die aus der Sichtung von Quellenmaterial hervorgegangen sind. Die achte Folge der bei Dabringhaus & Grimm erscheinenden CD-Serie «Musica Baltica» bringt nun weltliche Kantaten von Johann Balthasar Christian Freislich (1687–1754), dessen Schaffen bereits 1997 in einer Leipziger Dissertation umfänglich und mit Werkverzeichnis aufgearbeitet wurde. Genauer müsste man also propagieren: Andrzej Szadejko ist es gelungen, viele Institutionen mit ins Boot zu nehmen, um international

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In a Strange Land / Ensemble Stile Antico

In a Strange Land / Ensemble Stile Antico

Entscheidend für das Verständnis der eingespielten Werke ist der mitgelieferte Untertitel: «Elizabethan Composers in Exile». So steht einmal mehr die hochpolitische Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts im Zentrum; hier geht es um die Folgen einer päpstlichen Bulle, die der Königin das Recht auf den Thron absprach und allen Gefolgsleuten mit der Exkommunizierung drohte. Doch so sehr die Schiffe auf dem Cover eine kollektive Ausreise nahe legen – das Konzept geht nicht ganz auf. Denn die Verhältnisse waren (wie immer) deutlich komplizierter, geprägt von Verrat und falschen Freundschaften; es ging nicht

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French Duets

French Duets

Vierhändige Klaviermusik war zu allermeist für den Salon oder die «gute Stube» bestimmt. Entsprechend finden sich im Repertoire Bearbeitungen von Sinfonien und Streichquartetten(!), die regelmäßig erstellt wurden, um zu einer Zeit ohne geeignete mechanische Reproduktionsmöglichkeiten wenigstens bekannte wie neuere Werke zu verbreiten, so dass diese «erspielt» werden konnten. Darüber hinaus entstand für das vierhändige Spiel eine Vielzahl von originären Werken in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Ausdruckssphären. Ein wenig von der Vielfalt um die Wende zum 20. Jahrhundertwende zeigen Paul Lewis und Steven Osborne mit diesem Album, das wohl nur aus Versehen

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Around Paris

Around Paris

Muss man ein Album wirklich «Around Paris» nennen, wenn sich dieses Versprechen schon mit Blick auf die Werke nicht erfüllt? Offenbar bestand nur wenig Zutrauen in die eigene Auswahl, so dass dieser fraglos atmosphärische Titel einen Zusammenhang stiften soll, der letztlich nicht gegeben ist. Strawinskys L’histoire du Soldat entstand nun einmal in der Schweiz, ebenso wie Bartóks Kontraste. Sie bleiben hier dennoch keine Fremdkörper, denn das Programm wird durch die ungewöhnliche kammermusikalische Formation aus Klarinette, Violine und Klavier getragen, die man eigentlich als von Bartók gesetzt annimmt, für die allerdings

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Chamber Music with Winds and Piano

Chamber Music with Winds and Piano

In einer noch immer erstaunlich anmutenden produktiven Wechselwirkung beförderten sich in den letzten drei Dekaden des 19. Jahrhunderts der französische Instrumentenbau, Pariser Institutionen und am Repertoire interessierte Komponisten gegenseitig und brachten so die kammermusikalisch unterrepräsentierten Holzbläser zu neuem Glanz. Ablesbar ist dies an der Gründung der Société Nationale de Musique (1871), der Société de Musique de Chambre pour Instruments à Vent (1879) sowie der Société Moderne d‘Instruments à Vent (1879), aber auch an der Anzahl musikalisch herausragender Werke, die nicht allein einzelne Instrumente idiomatisch erkunden, sondern auch zu neuen Formationen

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Les Vents Français / Moderniste

Les Vents Français / Moderniste

In einer langen und bedeutenden Tradition von französischen Bläservereinigungen steht das Ensemble «Les Vents Français». Der Name ist vollauf gerechtfertigt, denn hier haben sich schon vor mehr als anderthalb Jahrzehnten erstklassige französische Solisten zu gemeinsamer Kammermusik zusammengefunden und propagieren die im Konzertleben unterrepräsentierte Formation mit Esprit und einem Niveau, das nur wenige erreichen oder erreicht haben. Zugleich ist das mit Éric Le Sage am Klavier erweiterte Ensemble eher im 20./21. Jahrhundert zuhause als im Bereich der Klassik und Romantik, wo der lohnende Werkbestand doch eher überschaubar ist. Charakteristisch für die

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Le Tombeau de Claude Debussy

Le Tombeau de Claude Debussy

1920 veröffentlichte die gerade erst von Henry Prunière gegründete und für 21 Jahre kontinuierlich erscheinende Zeitschrift La Revue musicale eine Sondernummer mit dem Titel Le Tombeau de Claude Debussy. Insgesamt zehn Stücke von zehn Komponisten sind hier als ein buntes Kaleidoskop neben einer Lithographie von Raoul Dufy versammelt. Sie zeugen von der inneren Verbundenheit und dem schöpferischen Respekt gegenüber dem zwei Jahre zuvor und zu früh verstorbenen Komponisten, der mit seinen Harmonien und Klängen Türen in die Moderne geöffnet hatte. Da durch die Redaktion kein äußerer Rahmen vorgegeben worden war,

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Beethoven 7 – Prometheus / FBO – van der Goltz

Beethoven 7 – Prometheus / FBO – von der Goltz

Fast könnte man von einem rezeptionsgeschichtlichen Glücksfall sprechen. Denn sowohl das Jubeljahr 2020 wie auch die vielfach zum «Nachholen» angedachte Verlängerung 2021 sind für Beethoven und seine Werke ausgefallen. Hand aufs Herz: Bereits die nur angekündigte Omnipräsenz hatte die Befürchtung bestätigt, dass zumeist wieder einmal allzu gewöhnliche Programme entworfen worden waren – einmal abgesehen von all den ganzen oder halben Zyklen, den herausragenden singulären Events oder auch dem Tonträgermarkt. Wirkliche Überraschungen waren selbst hier nur selten anzutreffen. Doch während mehrere Labels mit ihrem redlich erarbeiteten, glücklich vererbten oder bloß angekauften

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