
Kaum erschienen, schon ausverkauft als CD-Box. Digital kann man diese schwer eigenartige Musik allerdings noch erwerben. Sechs CDs mit elektronischer Musik von Costin Miereanu aus der Zeit zwischen 1976 und 1982. Mir war der Komponist bislang vollkommen unbekannt, dabei hat er ein bewegtes Leben hinter sich (und noch vor sich), das an allen Ecken und Kanten mit der Geschichte der Neuen Musik verbandelt ist (die englische Wikipedia [engl. und dt.] und das Booklet zu CD-Box klären auf – interessanterweise ist auch der deutsche Text im Vergleich wirklich mager).
Überblickt man auf die Schnelle den Output der hier auf sechs CDs ausgebreiteten 12 Werke fällt auf, dass diese immer um circa 20 Minuten Dauer haben. Und klar, das ist Musik, die auf Schallplatte gepresst wurde, und um die 20 Minuten pro Seite sind ziemlich optimal für diese Art der Veröffentlichungen – zugleich verbindet sich damit aber die Frage, ist die tatsächliche gedachte Länge mit der technischen Vorgabe identisch? Künstliche Endlichkeit der Musik?
Die Frage stellt sich vor allem, weil es sich bei den Kompositionen um Stücke handelt, die man regelmäßig damit in Verbindung bringen dürfte, was man umgangssprachlich als Minimal Music bezeichnet. Das heißt, die Stücke haben hier einen Anfang und ein Ende, aber mittendrin, also zwischen Anfang und Ende, bewegen sie sich unterdurchschnittlich kaum. Sie kreisen im Moment und nur gelegentlich zwitschern sie etwas ab. «Finis-Terre» ist dabei radikal auf der Stelle klingend und darin sehr diskret klingend, räumelnd, lässig, luftig – eine Musik in die man eintaucht und mitschwebt.
Als Instrumentarium der 12 Komposition standen Costin Miereanu, wie der Begleittext ausführt «Minimoog, Polymoog, PPG Wave, Prophet-10 — supplemented by piano, organ, and a handful of other instrumental sources» zur Verfügung. Daher kommt dieses klangliche Rumgegurgel auf der zweiten CD, wo das pulsierende Dauergeblipse vor allem durch diverse Filtermanipulationen sich permanent durchfärbt. ES SIND DIE 70ER-JAHRE!
Dabei knüpft Miereanu mit seiner Art der elektronischen Musik eher an Seitenflügel der Popularmusik wie von Tangerine Dream, Pink Floyd, Jean-Michel Jarre, Michael Rother, Dieter Moebius, Hans-Joachim Roedelius, Brian Eno (nicht so sehr Kraftwerk) an und verbindet sich eher mit Terry Riley als Iannis Xenakis. Genau genommen gilt das aber vor allem für die ersten beiden CDs der Box: DÉRIVES (1976-1978) und LE ROYAUME DE LA REINE PELLAPOUF (1977-78). Mit den beiden folgenden CDs PIANOS-MIROIRS (1978-1979) und JARDINS OUBLIÉS (1981) treten motivische Elemente in den Vordergrund, bei den letzten beiden CDs FATA MORGANA (1981) und CARROUSEL (1982) schließlich mischt sich alles ineinander und entwickelt sich in Richtung Hörstück.
Für mich sind die beiden Jardin-Kompositionen auf CD 4 die musikalisch Interessantesten neben Finis-Terre von CD 1, da diese doch sehr luftig und diskret mit elektronischen Klängen hantieren und man «Ton für Ton, Filterklang für Filterklang» mithören kann, wo andernorts die Tontrauben schwärmen und schäumen (wie bei den ersten beiden CDs, die dadurch zwischen Ekstase und Meditation schweben).
- Wer sich weiter informieren möchte mit hier erwähnten und anderen Kompositionen, die sonst schwer zugänglich sind, kann sich einen sprachfreien Podcast von 2015 zum Komponisten anhören.
Costin Miereanu – Poly-Art Recordings 1976-1982 [2025]
6 x CD box Auryfa/Metaphon AY01/METAPHON018 (VÖ: 06.06.2025)
- CD 1 DÉRIVES (1976-1978)
- CD 2 LE ROYAUME DE LA REINE PELLAPOUF (1977-78)
- CD 3 PIANOS-MIROIRS (1978-1979)
- CD 4 JARDINS OUBLIÉS (1981)
- CD 5 FATA MORGANA (1981)
- CD 6 CARROUSEL (1982)