Es gab eine Zeit – noch dazu die längste innerhalb der Musikgeschichte –, in der man nicht so ohne weiteres in jedem Moment alles bequem abrufen konnte. Am Anfang der „mechanischen Musikreproduktion“ stehen singuläre Automaten, es folgten Klavierrollen, Schallplatten, Bänder, die CD, und nun das rein digitale Streaming. Wer aber einst Musik hören wollte, musste entweder Glück haben oder diese selbst spielen. Ende des 18. Jahrhunderts blühte die Harmoniemusik auf – reine (allenfalls durch einen Kontrabass ergänzte) Bläserensembles, die besonders durch die Verbreitung der wandlungsfähigen Klarinette einen bedeutenden Aufschwung erlebten. Und wo es keine Oper gab (oder diese unerschwinglich blieb), da wusste man sich mit Bearbeitungen zu helfen, die munter auf der Straße und im Hof musiziert wurden. Freilich nicht das große Bühnendrama in Gänze, sondern nur die schönsten Melodien, die dann auch rasch zu Gassenhauern wurden.
Einen Eindruck gibt davon auch dieses Album des Trio Roseau, auch wenn der Klarinettist Ulf-Guido Schäfer (zudem ein sehr guter Arrangeur) den Don Giovanni erst für die Dreier-Besetzung des (späteren) Trio d’anches einrichten musste. Insofern stehen diese Bearbeitungen in der Tradition von Mozarts Zeitgenossen – vor allem aber gelingt es Schäfer, die drei Instrumente (Oboe, Klarinette, Fagott) und noch mehr Klangfarben in Szene zu setzen. Dass dann besonders die «volkstümlichen» Nummern überzeugen: Wen wundert es? Das letzte Drittel des Programms ist ganz anders gestaltet: Hier erklingen insgesamt fünf Arien rein instrumental, wobei die Singstimme der Oboe bzw. dem Englischhorn zugewiesen wird. Ein Streichtrio übernimmt die Begleitung, bei den Arien aus dem Tito bleibt die konzertante Klarinette erhalten. – Natürlich darf man sich fragen, für wen einen solche Produktion bestimmt ist. Bei mir als ehemaligem Klarinettisten werden zwar offene Türen eingerannt; aber welchen Durchmesser hat der Interessentenkreis außerhalb des Zirkels, der solch gelungene Arrangements und diesen Ensembleklang zu schätzen weiß? Über jeden Zweifel erhaben ist die musikalische Gestaltung – wunderbare instrumentale Kammermusik, die das vokale Original nicht ganz verleugnet. Ein Album für den Sommer, unter schattigen Bäumen.
Wolfgang Amadeus Mozart. Don Giovanni KV 527 (Harmoniemusik für Trio d’anches, arr. von Ulf-Guido Schäfer); «Ah, spiegarti, oh dio» KV 178 (arr. für Englischhorn und Streichtrio); «Sperai vicino il lido» KV 368 (arr. für Oboe und Streichtrio); «Ombra felice» KV 255 (arr. für Englischhorn und Streichtrio); «Parto, ma tu ben mio» aus «La Clemenza di Tito» (arr. für Oboe, Klarinette und Streichtrio); «Non più di fiori» aus «La Clemenza di Tito» (arr. für Oboe, Klarinette und Streichtrio)
Trio Roseau, Kathrin Rabus (Violine), Taia Lysi (Viola), Fabrizio Scilla (Violoncello)MDG 903 2246-6 (2021/22)