5. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Emilie Mayer

Emilie Mayer
Emilie Mayer

«Emilie wer?» So oder ähnlich lautete noch vor etwas mehr als 15 Jahren die erstaunte Frage, wenn man über die Komponistin Emilie Mayer (1812–1883) ins Gespräch kommen wollte. Dass sie von Carl Loewe in Stettin unterwiesen wurde, sorgte dann meist für ein weiteres Lächeln. Inzwischen hat sich die Situation signifikant verändert: Nicht nur sind zahlreiche ihrer Werke in neuen Druckausgaben erschienen, sondern es wurden auch einige Kompositionen eingespielt, teilweise gar mehrfach, was zu der komfortablen Situation führt, auch vergleichen zu können.

Das betrifft vor allem die Sinfonie Nr. 3 C-Dur, die den Beinamen «Militaire» trägt. Doch dieser bezieht sich nur auf das Finale, und dort weniger auf den marschmäßigen 4/4-Takt als vielmehr auf die Erweiterung der Besetzung um Piccolo, Triangel, Becken und Trommel – vergleiche dazu aber wiederum an gleicher Position mindestens Beethovens Neunte, die es mit der hinzugefügten «Türkischen Musik» aber stärker klingeln und scheppern lässt. Dass sich bei Emile Mayer in diesen Klängen die Revolution von 1848/49 spiegeln soll, erscheint mir allerdings fraglich, ebenso ein Einfluss des Dirigenten Wilhelm Wieprecht, der am 21. April 1850 die Uraufführung im heutigen Konzerthaus Berlin leitete. Vermutlich motivierte dieses Finale dennoch bisher gleich drei Einspielungen, die nur wenige Monate voneinander entfernt erschienen: zunächst eine eher kompakte Produktion mit der NDR Radiophilharmonie unter Jan Willem de Vriend (cpo), dann eine akustisch nicht auf dem Stand der Zeit stehende mit dem Philharmonischen Orchester Bremerhaven unter Marc Niemann (hänssler) und nun mit der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin unter GMD Mark Rohde. Tatsächlich besteht bei dem Orchester dieses Flächenlandes auch eine regionale Beziehung zu der in Friedland geborenen und später zwischen Berlin und Stettin pendelnden Komponistin. Vielleicht mutet daher auch das Engagement dieser Produktion so unmittelbar greifbar an. Jedenfalls passen die Tempi ebenso wie der klassizistische Zugriff und die ausgewogene Akustik. Pluspunkt für Repertoire-Entdecker: die (Erst-)Einspielung von gleich vier Konzert-Ouvertüren.

Emilie Mayer. Ouvertüre Nr. 2 D-Dur; Faust-Ouvertüre h-Moll op. 46; Ouvertüre d-Moll; Ouvertüre Nr. 3 C-Dur; Sinfonie Nr. 3 C-Dur «Militaire»
Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin, Mark Rohde

MDG 901 2239-6 (2021)

HörBar<< Louise Farrenc

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #075 – Sinfonikerinnen