Über die Abfolge der einzelnen Nummern innerhalb der Kunst der Fuge ist viel geschrieben und spekuliert worden. Während aber die meisten Einspielungen dem Erstdruck bzw. den danach sich richtenden modernen Ausgaben folgen, greift die Accademia Strumentale Italiana auf das mit drei späteren Beilagen angereicherte Autograph zurück, das Bach zwischen 1745 und 1748 angefertigt hat (die Nachträge sind von ca. 1749). Diese aufführungspraktische «Abweichung» von der Konvention drückt sich auch auf dem Cover aus – und man reibt sich erstaunt die Augen, dass dort im Untertitel wirklich die ordentliche Berliner Bibliothekssignatur der Handschrift steht: Mus. ms. Bach P 200. Die (bekannten) Unterschiede zum posthumen Druck werden im Booklet erläutert und anschaulich dargestellt, auch numerologische Aspekte werden in dem nur auf Englisch abgedruckten Text nicht ausgeschlossen.
Und so erweist sich die Produktion auch als recht unspektakulär. Hier werden vor allem die Contrapuncti und Canones musiziert – in einer für die Zeit ihrer Entstehung adäquaten Aufführungspraxis, mit fließenden Tempi, rhetorischem Feingefühl und einer im Ensemble wechselnden Besetzung zwischen Violine, Gamben und Orgel (die solistisch gefordert wird, teilweise aber auch colla parte geht). So rund und in sich geschlossen diese Deutung auch in der Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven erscheint, so hätte ich mir manche Phrasierung wie auch den einen oder anderen Einsatz noch präziser vorstellen können. Andererseits gelingt dem Ensemble trotz aller philologischen Überlegungen eine betont musikalische Interpretation, die atmet und einen glücklichen Mittelweg in der klanglichen Realisierung von Bachs «partitura» findet.
Johann Sebastian Bach. Die Kunst der Fuge BWV 1080
Accademia Strumentale Italiana, Alberto Rasi
Challenge Classics CC 72842 (2019)
- Eloïse Bella Kohn
- Les inAttendus
- Filippo Gorini
- Daniil Trifonov
- Accademia Strumentale Italiana