Für die Ernsthaftigkeit des Trio steht bereits der Name von Marianne Muller, einer der etabliertesten Gambist:innen unserer Zeit. Ihr Solo-Album mit Kompositionen von Abel, Telemann und Bach (ZigZag, 2013) ist seit vielen Jahren eines meiner Favoriten, zugleich hat sie gemeinsam mit Vincent Lhermet am Akkordeon schon vor einiger Zeit einen vergleichbaren Spagat glücklich gewagt. Dass es nun nicht bei diesen partiell recht tragischen Poetical Humors blieb (harmonia mundi, 2018), zeigt der Anspruch, in dem sich nun die unkonventionelle Einspielung der Kunst der Fuge nach außen hin realisiert. So wurde das gleichschwebend temperierte Akkordeon auf den tiefen Stimmton (415 Hertz) verpflichtet (Vincent Lhermet spielt daher unentwegt in cis-Moll) und übernimmt lediglich bis zu zwei Stimmen. Dennoch sind die Canones abwechslungsreich gestaltet und sprühen von ungeahnter Lebendigkeit. Ohnehin gelingt Les inAttendus ein erstaunliches Gleichgewicht von analytischer Klarheit und emotionaler Durchdringung. Dass am Ende dann doch die ältliche Gambe die allerletzten Achtel intoniert, wirkt auf seltsame Weise versöhnlich – als zeitgemäßer Blick zurück und in einer (unerfüllten) Erwartung auf Zukünftiges.
Johann Sebastian Bach. Die Kunst der Fuge BWV 1080
Les inAttendus, Vincent Lhermet (Akkordeon), Marianne Muller (Gambe), Alice Piérot (Violine)
harmonia mundi HMM 905313 (2019)